Bewegte Jahre für Shiatsu. Auf dem Weg zu einem gesetzlichen Berufsbild (1999 bis 2003)

Waldweg mit Gegenlicht

Im Jänner 1999 wurde dem ÖDS ein Schreiben des Wirtschaftsministeriums bekannt, das wie eine Bombe einschlug: „Berührungen an den Reflexzonen bzw. Druck auf Akupunkturpunkte, um damit körperliches Wohlbefinden zu erzeugen“, so schrieb Sektionschef Dr. Koprivnikar am 15. Dezember 1998, seien „den betreffenden Massagetechniken zuzuordnen“. Die bisherigen Bemühungen ein eigenständiges Berufsbild im Gesundheits- oder Gewerbebereich zu etablieren, waren damit existenziell in Frage gestellt, vielleicht sogar beendet, denn in diesem Schreiben hieß es begründend: „Sowohl Akupunktur- als auch Reflexzonenmassage sind Gegenstand der Ausbildung zum gewerblichen Masseur. Die beschriebenen Shiatsu-Techniken sind daher dem gebundenen Gewerbe der Masseure zuzuordnen“ und schloss mit „Ein freies Gewerbe kann […] im Hinblick auf die in den übermittelten Unterlagen gegebene Beschreibung der Tätigkeit nicht als gegeben angenommen werden“.

Um die Bedeutung dieses Schreibens für den ÖDS zu verstehen
Shiatsu wurde vom Wirtschaftsministerium bislang (Schreiben vom 9. Dezember 1992), so wie z.B. auch Tai Chi, Qi Gong und Yoga als freier Beruf bewertet, der „nicht in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1973“ fällt.
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Die Gewerbeordnung besagt, dass Inhaber eines Vollgewerbes den gesamten Gewerbeumfang uneingeschränkt ausüben dürfen.

Nun war es zwar ein deklariertes Gründungsziel des ÖDS, beruflichen Schutz und Qualitätskriterien für Shiatsu zu etablieren (entweder als Tätigkeit im Gesundheitsbereich oder als eigenständiges Gewerbe) und ein solcher erfolgte durchaus mit dieser, wie wir es erlebten, „unfreundlichen Übernahme“ in die gewerbliche Massage, da der Zugang zur Ausübung von Shiatsu nun nicht mehr gänzlich offen war (d.h. Shiatsu konnte nicht mehr als freier Beruf von Jedermann*Jederfrau ausgeübt werden kann, unabhängig davon, wie qualitativ die Ausbildung war oder ob eine solche überhaupt vorlag), aber:

  • Shiatsu war damit gewissermaßen ein Teil der gewerblichen Massage, wie so klassische Massage, Bindegewebsmassage, Bindegewebsmassage oder Fußreflexzonenmassage u.a.m., was nicht dem Verständnis des ÖDS entspricht.
  • Shiatsu konnte weiterhin unabhängig von einer absolvierten Shiatsu-Ausbildung ausgeübt werden, allerdings jetzt „nur noch“ von Inhaber*innen des Vollgewerbes Massage.

Zwar wurde ausgebildeten Shiatsu-Praktiker*innen („kann jemand eine Spezialausbildung in den Shiatsu-Techniken nachweisen“) eine auf Shiatsu „eingeschränkte Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Masseurgewerbe“ in Aussicht gestellt, von einem klaren und eindeutigen Berufsbild waren wir aber dennoch weit, vielleicht sogar weiter entfernt als vor der Zuordnung zum Massagegewerbe.

Erschwerend kam dazu, dass es sich, wie unsere rechtsanwältlichen Recherchen ergaben, bei diesem Schreiben um eine Rechtsmeinung handelte, gegen die es – anders als z.B. bei Beschlüssen oder Erlässen – keine Rechtsmittel gibt, die aber dennoch gewissermaßen Rechtswirksamkeit entfaltet. Um die Ausbildungs- und Qualitätskriterien des Dachverbandes dennoch wahren zu können, nahm der ÖDS Kontakt mit der Wiener Landesinnung der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure auf, um zumindest eine Einbindung von Expert*innen des ÖDS in den Shiatsu-Prüfungsprozess zu erreichen. Die für unseren Beruf letztlich wesentlichste Weichenstellung aber ergab sich aus dem Kontakt mit dem Wirtschaftsministerium, der zunächst in den Händen von Christian Schnabl lag, später dann gemeinsam mit Eduard Tripp.

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