Die Wirkung von Shiatsu auf die Unruhe bei mechanisch beatmeten Patienten – eine Studie von Mehdi Harorania (et al.)

künstliche Beatmung

Bei Patient*innen, die auf einer Intensivstation aufgenommen werden, treten sowohl aufgrund der Art der Erkrankung als auch aufgrund invasiver medizinischer Verfahren, wie Intubation und künstlicher (mechanischer) Beatmung, zahlreiche Komplikationen auf. Unruhe ist eine der häufig auftretenden und ernsten Problematiken. Eine iranische Forschergruppe um Mehdi Harorania1Harorani, Mehdi, Garshasbi, Masoumeh, Sediqi, Mohamad, Farahani, Zohreh, Habibi, Danial, Farahani, Mahtab, Aminie, Nazanin & Velashjerdi, Zahra (2021): The effect of Shiatsu massage on agitation in mechanically ventilated patients: A randomized controlled trial. Heart & Lung, 50(6), 893–897. doi:10.1016/j.hrtlng.2021.07.013. https://www.heartandlung.org/article/S0147-9563(21)00232-6/fulltext ist in einer 2021 veröffentlichten Studie der Frage nachgegangen, inwieweit Shiatsu gegen Unruhe in Situationen künstlicher Beatmung wirkt.

Hintergrund

Viele Menschen werden jedes Jahr auf Intensivstationen aufgenommen und benötigen aufgrund ihres Zustandes eine mechanische (künstliche) Beatmung. Künstliche Beatmung ist eine lebensrettende Maßnahme und eine Schlüsselkomponente bei der Versorgung kritisch kranker oder schwer traumatisierter Patient*innen. Dabei tritt allerdings das Problem auf, dass Patient*innen auf Intensivstationen, z.B. nach invasiven medizinischen Eingriffen, Erkrankungen oder Traumata, häufig unruhig sind („agitiert“). Dazu kommt, dass der Trachealtubus2Der Trachealtubus oder Beatmungstubus ist ein Hilfsmittel, das die Atemwege offen hält. Es handelt sich dabei um einen an beiden Enden geöffneten Schlauch, bei dem sich kurz oberhalb der unteren Öffnung eine Blockmanschette (Cuff) befindet, die aufgeblasen werden kann, um die Luftröhre abzudichten und dadurch das Risiko einer Aspiration (Eindringen von z.B. Speichel, Mageninhalt in die Atemwege) zu verhindern. und die (auch) damit zusammenhängende Unfähigkeit, verbal zu kommunizieren und seine*ihre Bedürfnisse auszudrücken, Angst und körperlichen Stress auslöst und damit die Unruhe verstärkt.

In der Medizin spricht man von Agitation und bezeichnet damit einen Zustand starker und heftiger Emotionen, der zudem durch plötzliche, unvorhersehbare und intensive Bewegungen gekennzeichnet ist. Die Folgen sind (neben der Gefahr einer Verletzung der Speiseröhre) ein erhöhter Sauerstoffbedarf durch die erhöhten Atemanstrengungen, eine Störung der Vitalzeichen und häufig auch eine Unterbrechung der therapeutischen Maßnahmen – und damit letztlich Komplikationen und Gesundheitsprobleme.

Um die Unruhe in den Griff zu bekommen, werden auf Intensivstationen häufig pharmakologische Wirkstoffe eingesetzt, aber auch – in Hinblick auf potentielle negative Auswirkungen von Medikamenten – komplementäre Behandlungen, wie z.B. Aromatherapie, Massage, therapeutische Berührung und Musiktherapie, die sich als hilfreich erweisen können. Die von Harorania et al. durchgeführte Studie hat auf diesem Hintergrund das Ziel der Bewertung der Wirksamkeit von Shiatsu als nicht-pharmakologischer Ansatz zur Bewältigung von Unruhezuständen bei künstlich beatmeten Patient*innen.

Vergleichbare, von den Autor*innen angeführte Studien

  • Mirtajadini et al. (2016) wiesen darauf hin, dass eine 20-minütige Shiatsu-Massage am Hegu-Punkt (Di 4) die Schmerzintensität einer Venenpunktion verringern kann.3Mirtajadini H, Kalroozi F, Pishgooie A. (2016): Shiatsu massage and the pain intensity of venipuncture in patients undergoing hemodialysis. Military Caring Sciences Journal. 2016;3(1):27–33.

  • Brady et al. (2001) fanden heraus, dass eine Shiatsu-Massage das Schmerzniveau und die Angst bei Patient*innen, die über Schmerzen im unteren Rückenbereich klagen, verringern kann.4Brady LH, Henry K, Luth JF, Casper-Bruett KK. The effects of shiatsu on lower back pain. J Holist Nurs. 2001;19(1):57–70.

  • Studien, deren Ergebnisse die Ergebnisse der vorliegenden Studie bestätigen, haben festgestellt, dass Shiatsu-Massage den Grad der Depression bei Patient*innen mit Alzheimer-Krankheit5Lanza G, Centonze SS, Destro G, Vella V, Bellomo M, Pennisi M, et al. Shiatsu as an adjuvant therapy for depression in patients with Alzheimer’s disease: a pilot study. Complement Ther Med. 2018;38:74–78., den Grad der Angst bei Patient*innen mit Verbrennungen6Ardabili FM, Purhajari S, Ghzeljeh TN, Haghani H. The effect of Shiatsu massage on underlying anxiety in burn patients. World J Plast Surg. 2015;4(1):36. und bei Patient*innen, die eine Chemotherapie erhalten, verringern kann.7Iida M, Chiba A, Yoshida Y, Shimizu K, Kanda K. Effects of shiatsu massage on relief of anxiety and side effect symptoms of patients receiving cancer chemotherapy. KITAKANTO Med J. 2000;50(3):227–232.

  • Shiatsu kann die Schlafqualität verbessern und die Schmerzen bei Patient*innen mit Fibromyalgie verringern.8Yuan SL, Berssaneti AA, Marques AP. Effects of shiatsu in the management of fibromyalgia symptoms: a controlled pilot study. J Manip Physiol Ther. 2013;36(7):436–443.

  • In einer Studie von Hattan et al. (2002) über die Auswirkungen von Fußmassage und geführter Entspannung auf physiologische Faktoren bei Patient*innen, die sich einer koronaren Bypass-Operation unterziehen, wurde kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe in Bezug auf die Durchschnittswerte für Schmerzen, Angst und Stress festgestellt.9Hattan J, King L, Griffiths P. The impact of foot massage and guided relaxation following cardiac surgery: a randomized controlled trial. J Adv Nurs. 2002;37(2):199–207.

  • Kavei et al. (2015) führten eine Studie über die Wirkung von Fußreflexzonenmassage auf Angst und Unruhe bei mechanisch beatmeten Patienten nach einer Operation am offenen Herzen durch und kamen zu dem Schluss, dass diese Art der Massage keine signifikante Wirkung auf die Verringerung von Unruhe und Angst hatte.10Kavei P, Ebadi A, Saeed Y, Moradian ST, Sedigh Rahimabadi M. Effect of foot reflexology on anxiety and agitation in patients under mechanical ventilation after open heart surgery: a randomized clinical trial study. J Clin Nurs Midwifery. 2015;4.

  • Gunnarsdottir und Jonsdottir (2007) zeigten, dass die Massagetherapie bei Patient*innen, die sich einer CABG unterzogen, keine positive Wirkung auf die Verringerung von Angstzuständen hatte.11Gunnarsdottir TJ, Jonsdottir H. Does the experimental design capture the effects of complementary therapy? A study using reflexology for patients undergoing coronary artery bypass graft surgery. J Clin Nurs. 2007;16(4). 777-85.

Studiendesign

Vom Studiendesign her handelt es sich bei der Studie von Harorania et al. um eine randomisierte Einzelblindstudie12Die Studie war einfach verblindet, da die Krankenschwester, die den Grad der Unruhe der Patient*innen mit dem Richmond-Instrument gemessen hat, nichts über die Art der durchgeführten Intervention wusste. mit einer plazebokontrollierten klinischen Parallelgruppe, an der insgesamt 68 mechanisch beatmete Patient*innen der Intensivstation des Vali-e-Asr-Krankenhauses in Arak (Iran) zwischen Dezember 2019 und April 2020 teilgenommen haben (34 in jeder Gruppe13Ein*e Patient*in der Versuchsgruppe wurde allerdings, so die Autor*innen, wegen mangelnder Kooperation von der Studie ausgeschlossen.).

Einschlusskriterien zur Studie waren a) ein Alter von 30 bis 60 Jahren, b) ein Glasgow Coma Scale (GCS) Score über 714Der Glasgow Coma Score (GCS) ein Bewertungsschema für Bewusstseins- und Hirnfunktionsstörungen nach einem Schädel-Hirn-Trauma, wobei 3 bis 8 Punkte eine schwere, 9 bis 11 Punkte eine mittelschwere, 12 bis 13 Punkte eine leichte und 14 bis 15 Punkte keine Bewusstseinsstörung bedeuten., c) ein ähnliches pharmakologisches Protokoll und d) das Vorhandensein von Erregungszuständen, bestimmt durch die Richmond Agitation-Sedation Scale (RASS) Score von +2 bis +415Die Richmond Agitation-Sedation Scale (RASS) ist ein medizinisches Score-System zur Einschätzung des Agitations- oder Sedationszustands eines*einer Patient*in, wobei +2 agitiert, +3 stark agitiert und +4 aggressiv bedeutet.. Lagen hingegen eindeutige Variablen vor, die zu einer schweren und hartnäckigen Erregung führen (eine starke Abnahme der Bewusstseinslage und lebensbedrohliche Zustände, die zu schweren und unkontrollierbaren Schmerzen führen) wurden diese Personen aus der Studien ausgeschlossen.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Harorani, Mehdi, Garshasbi, Masoumeh, Sediqi, Mohamad, Farahani, Zohreh, Habibi, Danial, Farahani, Mahtab, Aminie, Nazanin & Velashjerdi, Zahra (2021): The effect of Shiatsu massage on agitation in mechanically ventilated patients: A randomized controlled trial. Heart & Lung, 50(6), 893–897. doi:10.1016/j.hrtlng.2021.07.013. https://www.heartandlung.org/article/S0147-9563(21)00232-6/fulltext
  • 2
    Der Trachealtubus oder Beatmungstubus ist ein Hilfsmittel, das die Atemwege offen hält. Es handelt sich dabei um einen an beiden Enden geöffneten Schlauch, bei dem sich kurz oberhalb der unteren Öffnung eine Blockmanschette (Cuff) befindet, die aufgeblasen werden kann, um die Luftröhre abzudichten und dadurch das Risiko einer Aspiration (Eindringen von z.B. Speichel, Mageninhalt in die Atemwege) zu verhindern.
  • 3
    Mirtajadini H, Kalroozi F, Pishgooie A. (2016): Shiatsu massage and the pain intensity of venipuncture in patients undergoing hemodialysis. Military Caring Sciences Journal. 2016;3(1):27–33.
  • 4
    Brady LH, Henry K, Luth JF, Casper-Bruett KK. The effects of shiatsu on lower back pain. J Holist Nurs. 2001;19(1):57–70.
  • 5
    Lanza G, Centonze SS, Destro G, Vella V, Bellomo M, Pennisi M, et al. Shiatsu as an adjuvant therapy for depression in patients with Alzheimer’s disease: a pilot study. Complement Ther Med. 2018;38:74–78.
  • 6
    Ardabili FM, Purhajari S, Ghzeljeh TN, Haghani H. The effect of Shiatsu massage on underlying anxiety in burn patients. World J Plast Surg. 2015;4(1):36.
  • 7
    Iida M, Chiba A, Yoshida Y, Shimizu K, Kanda K. Effects of shiatsu massage on relief of anxiety and side effect symptoms of patients receiving cancer chemotherapy. KITAKANTO Med J. 2000;50(3):227–232.
  • 8
    Yuan SL, Berssaneti AA, Marques AP. Effects of shiatsu in the management of fibromyalgia symptoms: a controlled pilot study. J Manip Physiol Ther. 2013;36(7):436–443.
  • 9
    Hattan J, King L, Griffiths P. The impact of foot massage and guided relaxation following cardiac surgery: a randomized controlled trial. J Adv Nurs. 2002;37(2):199–207.
  • 10
    Kavei P, Ebadi A, Saeed Y, Moradian ST, Sedigh Rahimabadi M. Effect of foot reflexology on anxiety and agitation in patients under mechanical ventilation after open heart surgery: a randomized clinical trial study. J Clin Nurs Midwifery. 2015;4.
  • 11
    Gunnarsdottir TJ, Jonsdottir H. Does the experimental design capture the effects of complementary therapy? A study using reflexology for patients undergoing coronary artery bypass graft surgery. J Clin Nurs. 2007;16(4). 777-85.
  • 12
    Die Studie war einfach verblindet, da die Krankenschwester, die den Grad der Unruhe der Patient*innen mit dem Richmond-Instrument gemessen hat, nichts über die Art der durchgeführten Intervention wusste.
  • 13
    Ein*e Patient*in der Versuchsgruppe wurde allerdings, so die Autor*innen, wegen mangelnder Kooperation von der Studie ausgeschlossen.
  • 14
    Der Glasgow Coma Score (GCS) ein Bewertungsschema für Bewusstseins- und Hirnfunktionsstörungen nach einem Schädel-Hirn-Trauma, wobei 3 bis 8 Punkte eine schwere, 9 bis 11 Punkte eine mittelschwere, 12 bis 13 Punkte eine leichte und 14 bis 15 Punkte keine Bewusstseinsstörung bedeuten.
  • 15
    Die Richmond Agitation-Sedation Scale (RASS) ist ein medizinisches Score-System zur Einschätzung des Agitations- oder Sedationszustands eines*einer Patient*in, wobei +2 agitiert, +3 stark agitiert und +4 aggressiv bedeutet.

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