Newsletter 20 der Grünen Masseur*innen — Die kritische Alternative

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Liebe/r

willkommen bei der 20. Ausgabe des Newsletters der Grünen Masseur*innen!
(13. März 2023)

~ Wie sinnvoll ist eine Fahne für die Wiener Innung?

In der letzten Ausschuss-Sitzung wurde mit Stimmenmehrheit mit einem Kostenrahmen von 25.000 Euro die Anschaffung einer Fahne für die Wiener Innung beschlossen – die Grünen Masseur*innen haben sich kritisch dazu geäußert.

Dass es bislang keine Fahne für die Wiener Innung der Fußpfleger*innen, Kosmetiker*innen, Masseur*innen, Piercer*innen und Tätowierer*innen gibt, wurde von manchen Mandatar*innen schon vor einiger Zeit bemängelt, insbesondere mit dem Hinweis auf den feierlichen Einzug der Zunft/Gewerbe/Innungsfahnen bei der Eröffnung des Balls der Wiener Wirtschaft, der alljährlich vom Wirtschaftsbund Wien veranstaltet wird (https://www.stadt-wien.at/veranstaltungen/baelle/hofburg-ball-der-wiener-wirtschaft.html).

Dem von den Grünen Masseur*innen vorgebrachten Einwand, eine Gewerbe/Zunft/Innungs-Fahne sei heute für viele Mitglieder wohl nicht mehr zeitgemäß, zudem handle es sich bei den in der Innung FKM vertretenen Gewerbe um keine alten Zünfte, die eventuell aus Tradition an einer Fahne festhalten, wurde entgegengesetzt, dass eine Fahne identitätsstiftend und (auch) deshalb sinnvoll sei.

Geschichte und Hintergrund von Zunftzeichen

Dass Zünfte und damit auch Zunftfahnen (als eine Form der Zunftzeichen) eine lange Tradition haben, ist ohne Zweifel und wird in einem Fall selbst von der UNESCO als Immaterielles Kulturerbe in Österreich gewürdigt: Der Zunfttag der Fleischhauer*innen und Liebfrauenbruderschaft in Gars am Kamp.

In der Beschreibung dieses Kulturerbes wird angeführt (der vollständige Text ist unter https://www.unesco.at/kultur/immaterielles-kulturerbe/oesterreichisches-verzeichnis/detail/article/zunfttag-der-fleischhauerinnen-und-liebfrauenbruderschaft-in-gars-am-kamp nachzulesen): „Die Zunft der Fleischhauer in Gars am Kamp besteht seit 1535. Trotz formeller Aufhebung der Zünfte werden Praktiken wie Zunfttag, die Ehrenkranz- und Ehrensiegelverleihungen, die Verleihung des Goldenen Ehrenrings und die Fronleichnamsprozession mit dem Vorantragen der Zunftfahne nach wie vor ausgeübt. Diese Praktiken sowie das bis heute weitergetragene Wissen um das Handwerk haben für die Mitglieder und ihr Umfeld nach wie vor eine wichtige soziale, ökonomische und ökologische Bedeutung.
 
Seit über fünf Jahrhunderten besteht die Zunft der Fleischhauer*innen und Liebfrauenbruderschaft in Gars am Kamp. Wesentliche Aufgabe dieser war bis 1871, neben der Aufsicht über die Berufsanwärter*innen und die Erteilung der Meisterrechte, die Regulierung der beruflichen Ausübung, die für das Erwirtschaften des Einkommens der Fleischhauer*innen und die soziale Absicherung auch der zugehörigen Familien maßgeblich war. Nach Auflösung der Zünfte und Einreihung in Landesinnungen blieb die Fleischhauerzunft seit 1867 als Verein bestehen und hat ihre Vermögenswerte wie die Zunftäcker bis heute inne. Die gemeinschaftliche Bedeutung und die Bräuche blieben ebenso erhalten.
 
Zu diesen Bräuchen gehören der jährliche Zunfttag im Oktober. Nicht nur alle Zunftmitglieder, sondern auch Gäste aus anderen regionalen Lebensmittelhandwerken nehmen am Zunfttag teil, der einem strikten Ablauf folgt: nach dem gemeinsamen Essen selbst hergestellter Würste wird die Zunftfahne in die Kirche getragen und anschließend eine Messe für die verstorbenen Mitglieder gehalten. Zudem werden an diesem Tag neue Zunftmitglieder aufgenommen sowie nach den Feierlichkeiten reger Austausch zu den Fachfragen des Handwerks betrieben. Außerhalb des Zunfttages nehmen die Mitglieder der Zunft auch bei der Fronleichnamsprozession teil, bei der die Ehrenkränze gesegnet und der Zunft nahestehenden Persönlichkeiten geschenkt werden.

Eine ebenfalls St. Georgius-Gilde1Der Begriff der Gilde wurde im Mittelalter stärker der Kaufmannschaft zugeordnet, der Begriff der Zunft stärker dem Handwerk, wenn man von „kaufmännischen und gewerblichen Genossenschaften (Gilden und Zünften) sprach. Allerdings waren die Übergänge fließend und keiner der Begriffe, wie historische Belege zeigen, war konsequent auf eine der beiden Berufsgruppen festgelegt, wobei Zunft allerdings viel enger mit dem organisierten Handwerk verbunden war, während Gilde für Personenverbände verschiedenster Art und Zusammensetzung gebraucht wurde (Quelle: Ruth Schmidt-Wiegand: Die Bezeichnungen Zunft und Gilde in ihrem historischen und wortgeographischen Zusammenhang. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/vuf/article/view/15771/9639)., gegründet 1592, klärt unter dem Titel „Fahne als Symbol der Ehre und Gemeinschaft“ den Unkundigen auf ihrer Website (https://www.gocher-gilde.de/Ueber-uns/Fahne-der-Gilde/) über die Bedeutung einer Gilden/Zunftfahne auf:

Fahnen, Feldzeichen und Standarten spiegeln die Geschichte eines Volkes wieder, denn die Fahnen sind ihre lebendigen und anschaulichen Symbole. Die Fahnen, seien es Nationalfahnen, Kirchenfahnen oder Vereinsfahnen sind Ausdruck innerer, staatlicher, religiöser, militärischer, parteipolitischer, sportlicher oder sonstiger Zusammengehörigkeit. Zu allen Zeiten brachte man der Fahne Ehrfurcht entgegen. Man weihte sie und ließ über sie den Segen sprechen. Man leistete den Fahneneid und bekräftigte den Schwur der Treue durch Berührung der Fahne. Die Fahne als Symbol verpflichtet unmittelbar, überliefert die Vergangenheit und weist in die Zukunft.“ 

Weihe der Fachgruppen-Fahne der Persönlichen Dienstleister im Jänner 2023

Die enge Verbindung mit kirchlicher Tradition scheint auch bei den neueren Gewerben von Bedeutung, wie sich nicht nur in der Absicht der Wiener Innung zeigt, denn die neu geschaffene Fachgruppen-Fahne der gewerblichen Dienstleister in Wien wurde am 17. Jänner von Dompfarrer Toni Faber im Stephansdom geweiht.

Im Begleittext des Videos auf YouTube (https://www.facebook.com/watch/?v=567327365293399), das von der Wirtschaftskammer Wien online gestellt wurde, verlautet dazu: „Herzlichen Dank an den Fahnenpaten Christoph Leitl und den Fahnenträger Martin Dirnbacher. Vizepräsidentin Margarete Kriz-Zwittkovits, Spartenobfrau Maria Smodics-Neumann und Fachgruppenobfrau Heidi Blaschek freuten sich über die Fortführung dieser jahrhundertealten Tradition.2Und vielleicht haben wir es hier mit einer Form von Nostalgie zu tun, einer Form von Sehnsucht nach einem goldenen Zeitalter, von Anachronismus oder auch Rückwärtsgewandtheit, je nach Standpunkt (vgl. Tobias Becker & Sabine Stach: Nostalgie. Historische Annäherungen an ein modernes Unbehagen. https://zeithistorische-forschungen.de/1-2021/5905).

Wir, die Grünen Masseur*innen, halten diese Tradition für nicht (mehr unbedingt) zeitgemäß und, darüber hinaus mit einem Budgetrahmen von 25.000 Euro gegenüber den Mitgliedern auch schwer vertretbar. Da fänden sich sicherlich bessere Maßnahmen, die den von den aktuellen Krisen betroffenen Mitgliedern nützlicher wären …

Verwiesen sei zudem auf einen ironisch-kritischen Beitrag der Tagespresse vom 16. Februar 2023 unter dem Titel: „Zahlt eh die Kammer“: WKO-Chef Mahrer bringt Rihanna zum Opernball (https://dietagespresse.com/zahlt-eh-die-kammer-wko-chef-mahrer-bringt-rihanna-zum-opernball/).

~ Überlegungen zu Transparenz und Information.
Wie werden Entscheidungen getroffen?

Transparenz und Verschwiegenheit waren Thema im Juli 2019 in Newsletter und Blog (/index.php/aktuelle-themen/461-funktionaerstaetigkeit-zwischen-transparenz-und-verschwiegenheit) der Grünen Masseur*innen. Dieses Thema möchten wir aus Gründen der Aktualität, die nach wie vor gegeben ist, hier nochmals aufgreifen und ergänzen.

Definition und Einschränkungen

Transparenz, so haben wir damals rund um das Thema der möglicherweise gewünschten Eintragung von Heilmasseur*innen in das Gesundheitsberuferegister (GBR) geschrieben, ist ein wichtiges Element demokratischer Strukturen und ein Unterscheidungskriterium demokratischer von autokratischen3Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Autokratie Systemen. Wikipedia (zugegeben ohne wissenschaftlichen Anspruch) sagt dazu Folgendes4Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Transparenz_(Politik). Zugriff 10.6.2019.: „Transparenz ist in der Politik und im politischen Diskurs eine Forderung bzw. ein für erstrebenswert gehaltener Zustand frei zugänglicher Informationen und stetiger Rechenschaft über Abläufe, Sachverhalte, Vorhaben und Entscheidungsprozesse. Damit verbunden die Vorstellung einer offenen Kommunikation zwischen den Akteuren des politischen Systems (bzw. von Verwaltung) und den Bürgern und einer vermehrten Partizipation. In eine ähnliche Richtung zielen die Begriffe Verwaltungstransparenz und Öffentlichkeitsprinzip“. Ohne Transparenz haben Bürger*innen kaum Kontroll- und Einflussmöglichkeiten auf Entscheidungen, die sie betreffen.

Demgegenüber steht eine gleichwohl nötige Verschwiegenheit, um beispielsweise Entscheidungsprozesse nicht zu gefährden. So unterliegen auch Funktionär*innen der Wirtschaftskammer einer Verschwiegenheitspflicht (§ 69 WKG):

Alle Funktionäre und Mitarbeiter der nach diesem Gesetz gebildeten Organisationen sind, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse der nach diesem Bundesgesetz gebildeten Organisationen der gewerblichen Wirtschaft, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist. Von dieser Verpflichtung hat auf Verlangen eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde bei Funktionären und Mitarbeitern der zuständige Präsident zu entbinden, wenn dies im Interesse der Rechtspflege oder im sonstigen überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen ist.“

Das Spannungsfeld von Transparenz und Verschwiegenheitsverpflichtung

Funktionär*innen stehen damit im Spannungsfeld zwischen (demokratischer) Transparenz in Bezug zu den Innungs-Mitgliedern, die ihnen ihr Mandat gegeben haben, und zugleich Verschwiegenheit ihnen gegenüber aus oben angeführtem Wirtschaftskammergesetz, d.h. um Ruhe, Ordnung und Sicherheit, aber auch wirtschaftliche Interessen der WK oder Entscheidungsvorbereitungen nicht zu gefährden.

Transparenz und möglichst umfassende Information von Seiten der Innung und der von ihnen gewählten Mandatar*innen aber ist, so unser demokratisches Verständnis, grundlegend notwendig, um den Mitgliedern zu ermöglichen, verantwortungsvolle und nachhaltige Entscheidungen über ihren Beruf und das Gebahren ihrer Vertretung zu entscheiden, zumindest mitzuentscheiden.

Eine klare Grenze gibt es nicht, denn wo exakt beginnt die Überschreitung der notwendigen Verschwiegenheit, um sensible Prozesse nicht zu gefährden, und wo beginnt demokratiegefährdende „message control“ (mit der Gefahr eines „Meinungsmonopol“ und quasi „interner Zensur“) oder die Verschleierung von möglicherweise fragwürdigen Entscheidungen?

Das Spannungsfeld von politischen und Mitgliederinteressen

Zudem kommt an dieser Stelle auch noch Charakteristik der Kammerstruktur zu tragen, die ähnlich der eines Parlaments ist, mit dem Unterschied allerdings, dass die Wirtschaftskammer per se eine Interessensvertretung mit eigenen Interessen ist und die Ausschüsse vor allem mit Mandatar*innen von „Ablegern“ politischer Vereinigungen besetzt sind. In der Innung der Fußpfleger*innen, Kosmetiker*innen, Masseur*innen, Piercer*innen und Tätowierer*innen sind primär Mandatar*innen des Wirtschaftsbundes5„Der Österreichische Wirtschaftsbund ist eine der sechs Teilorganisationen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und österreichweit die größte und schlagkräftigste politische Interessenvertretung für Unternehmerinnen, Unternehmer und selbstständig denkende Menschen“ (Quelle: https://www.wirtschaftsbund.at/genticscms/bundesleitung/ueber-uns/Was_wir_tun.html). Zugriff: 10.6.2019., des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Österreichs6„Wir verstehen uns als die Stimme der Klein- und Mittelbetriebe (KMU) und der Ein-Personen-Unternehmen (EPU)“ (https://www.wirtschaftsverband.at/ueber-den-swv.html). Zugriff: 10.6.2019. und der Grünen Wirtschaft7„Wir sind deine starke Stimme in der Wirtschaftskammer: die Organisation der grünen Unternehmer*innen und Selbstständigen in Österreich. Willkommen in der wunderbaren Welt des ethischen und ökologischen Wirtschaftens“ (https://www.gruenewirtschaft.at). Zugriff: 10.6.2019. im Ausschuss vertreten.

Um im Vergleich des Parlaments zu bleiben: So wie auch bei Nationalratswahlen werben Kandidat*innen für ihren Einzug in den Ausschuss auf etablierten politischen Listen (Wirtschaftsbund, Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband, Grüne Wirtschaft …) oder aber auf eigenständigen Listen (sogenannten „Wählergruppen“) mit einem Programm, das entweder (im Fall von etablierten Listen) „Teil eines größeren Gesamtbildes“8Z.B. ethisches und ökologisches Wirtschaften im Fall der Grünen Wirtschaft oder Vertretung der Klein- und Mittelbetriebe und EPUs im Falle des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes. ist und/oder aber ein spezifisches, eigenständiges Programm.

Sind sie dann gewählt und damit „Mandatar*innen“, eröffnen sich weitere Spannungsfelder:

  1. Sollen primär die eigenen, vielleicht übergeordneten Zielsetzungen verfolgt oder auch die Zielsetzungen anderer Gruppierungen miteinbezogen/berücksichtigt werden?

    Rechtlich/technisch gesehen muss eine Fraktion mit absoluter Mehrheit der Mandatar*innen – wie aktuell der Wirtschaftsbund in „unserer“ Innung – keinerlei Rücksicht auf Zielsetzungen der anderen Fraktionen und Ausschussmitglieder und die von ihnen repräsentierten Mitglieder nehmen, denn Fraktions-Interessen und -Ansichten lassen sich auf dem Hintergrund einer absoluten Mehrheit problemlos umsetzen.
     
    Der Preis dafür ist allerdings wohl die Unzufriedenheit der damit „vernachlässigten“ Mitglieder, die sich – und das wäre demokratiepolitisch wünschenswert – im Engagement für ihre Interessen und für eine Veränderung unliebsamer „Machtverhältnisse“ ausdrückt (zumindest z.B. im Abstimmungsverhalten in der nächsten Wahl).
     
  2. Wenn eine Thematik nicht explizites Thema des Wahlprogramms war: Sollen Mandatar*innen nach ihren (persönlichen oder einem kleinen Kreis entnommenen) Ansichten ihre Entscheidungen für eine gesamte Berufsgruppe treffen oder aber Betroffene in die Entscheidungsprozesse einbeziehen?
      

    Ein Beispiel dafür war, vor allem in den Jahren 2019 und 2020, die Diskussion über eine mögliche/gewünschte/unnötige Eintragung von Heilmasseur*innen in das Gesundheitsberuferegister GBR, in der einzig von den Grünen Masseur*innen großer Wert darauf gelegt wurde, Heilmasseur*innen – in Wien ganz konkret per Umfrage – in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Mit einem solchen Ansatz waren wir allerdings die Einzigen…
     
    Die Entscheidung für eine Innungsfahne (siehe Punkt 1 des Newsletters) ist aus unserer Sicht ähnlich gelagert, wenn man einen Kostenrahmen von 25.000 Euro und die symbolische Bedeutung eines solchen Schritts nicht als Bagatelle ansieht: Ist es wirklich der Wunsch (der Mehrheit) oder eines großen Teils der Mitglieder, dass eine Innungsfahne in Auftrag gegeben wird? Oder sehen viele Mitglieder (ein Großteil der Mitglieder oder doch nur eine Minderheit?) eine solche Anschaffung als unnötig, vielleicht sogar anachronistisch oder können dem Bild der einmarschierenden Innungs/Zunft-Fahnenträgern (gibt es da auch Frauen dabei?) beim vom Wirtschaftsbund organisierten Ball der Wiener Wirtschaft und der Weihe der Fahne im Stephansdom nichts abgewinnen? Sehen manche/viele vielleicht sogar im Gegenteil einen solchen Schritt unpassend für eine moderne Innung, in der – zumindest im Bereich der Masseur*innen – sehr viele Mitglieder EPUs sind? Vielleicht gibt es auch andere kritische Stimmen und Sichtweisen.
     
    Wie auch immer, die Realität war: Das Thema wurde nicht lange besprochen, kritische Meinungen im Ausschuss beiseite geschoben und mit Stimmenmehrheit (siehe politische Verteilung im Ausschuss, /index.php/fkm-wien) beschlossen.

Ergänzender Kommentar der Grünen Masseur*innen: Nach wie vor ist unsere Vision, wie wir sie für die Wahl 2020 (/index.php/home/motivation-und-ziele) formuliert haben:

… dass Entscheidungen (auch darüber, in welcher Weise vorhandene Mittel eingesetzt werden) nicht primär auf Basis politischer Zugehörigkeiten (und dahinterstehender Interessen) getroffen werden sollen, sondern so weit wie möglich von Angehörigen der jeweiligen Berufsgruppen. Die angestrebten Ziele waren dementsprechend Zusammenarbeit und Entscheidungen über alle Fraktionen hinweg für gemeinsame berufliche Zielsetzungen“ und unsere generellen Ziele:

  • Demokratische Entscheidungen
  • Information (Transparenz)
  • Kommunikation
  • Zusammenarbeit

~ Anzeigepflicht in der Heilmassage

Zur Erinnerung: Das vom Nationalrat beschlossene Gewaltschutzgesetz 2019 brachte auch Änderungen im Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum*zur medizinischen Masseur*in und zum*zur Heilmasseur*in (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) mit sich. Aufgehoben wurden dadurch der § 7 und im § 35 die Absätze 2 bis 5. Zudem wurde mit dem § 3a die Anzeigepflicht eingeführt.

Anzeigepflicht

§ 3a. (1) Medizinische Masseure und Heilmasseure sind zur Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft verpflichtet, wenn sich in Ausübung der beruflichen Tätigkeit der begründete Verdacht ergibt, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung

  1. der Tod, eine schwere Körperverletzung oder eine Vergewaltigung herbeigeführt wurde oder
  2. Kinder oder Jugendliche misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden oder worden sind oder
  3. nicht handlungs- oder entscheidungsfähige oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlose Volljährige misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden oder worden sind.

(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht, wenn

  1. die Anzeige dem ausdrücklichen Willen des volljährigen handlungs- oder entscheidungsfähigen Patienten widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder
  2. die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder
  3. der Berufsangehörige, der seine berufliche Tätigkeit im Dienstverhältnis ausübt, eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber erstattet hat und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.

(3) Weiters kann in Fällen des Abs. 1 Z 2 die Anzeige unterbleiben, wenn sich der Verdacht gegen einen Angehörigen (§ 72 Strafgesetzbuch – StGB, BGBl. Nr. 60/1974 https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1974_60_0/1974_60_0.pdf)  richtet, sofern dies das Wohl des Kindes oder Jugendlichen erfordert und eine Mitteilung an die Kinder- und Jugendhilfeträger und gegebenenfalls eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt.


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Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Der Begriff der Gilde wurde im Mittelalter stärker der Kaufmannschaft zugeordnet, der Begriff der Zunft stärker dem Handwerk, wenn man von „kaufmännischen und gewerblichen Genossenschaften (Gilden und Zünften) sprach. Allerdings waren die Übergänge fließend und keiner der Begriffe, wie historische Belege zeigen, war konsequent auf eine der beiden Berufsgruppen festgelegt, wobei Zunft allerdings viel enger mit dem organisierten Handwerk verbunden war, während Gilde für Personenverbände verschiedenster Art und Zusammensetzung gebraucht wurde (Quelle: Ruth Schmidt-Wiegand: Die Bezeichnungen Zunft und Gilde in ihrem historischen und wortgeographischen Zusammenhang. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/vuf/article/view/15771/9639).
  • 2
    Und vielleicht haben wir es hier mit einer Form von Nostalgie zu tun, einer Form von Sehnsucht nach einem goldenen Zeitalter, von Anachronismus oder auch Rückwärtsgewandtheit, je nach Standpunkt (vgl. Tobias Becker & Sabine Stach: Nostalgie. Historische Annäherungen an ein modernes Unbehagen. https://zeithistorische-forschungen.de/1-2021/5905).
  • 3
  • 4
  • 5
    „Der Österreichische Wirtschaftsbund ist eine der sechs Teilorganisationen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und österreichweit die größte und schlagkräftigste politische Interessenvertretung für Unternehmerinnen, Unternehmer und selbstständig denkende Menschen“ (Quelle: https://www.wirtschaftsbund.at/genticscms/bundesleitung/ueber-uns/Was_wir_tun.html). Zugriff: 10.6.2019.
  • 6
    „Wir verstehen uns als die Stimme der Klein- und Mittelbetriebe (KMU) und der Ein-Personen-Unternehmen (EPU)“ (https://www.wirtschaftsverband.at/ueber-den-swv.html). Zugriff: 10.6.2019.
  • 7
    „Wir sind deine starke Stimme in der Wirtschaftskammer: die Organisation der grünen Unternehmer*innen und Selbstständigen in Österreich. Willkommen in der wunderbaren Welt des ethischen und ökologischen Wirtschaftens“ (https://www.gruenewirtschaft.at). Zugriff: 10.6.2019.
  • 8
    Z.B. ethisches und ökologisches Wirtschaften im Fall der Grünen Wirtschaft oder Vertretung der Klein- und Mittelbetriebe und EPUs im Falle des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes.