Schrievers, Joachim et al.: Shiatsu als Weg in die Achtsamkeitspraxis

Wellness-Behandlung

Die Pilotstudie „Shiatsu als Weg in die Achtsamkeitspraxis“ von Joachim Schrievers, Jana Kraft & Niko Kohs – Ergebnisbericht vom 20. Juni 20181Ergebnisbericht „Shiatsu als Weg in die Achtsamkeitspraxis“ von Jana Kraft (https://www.shiatsu-gsd.de/sites/default/files/shiatsu-artikel/ergebnisbericht_shiatsu_achtsamkeit_18-06-22_final_0.pdf). 20.6.2018, Hochschule Coburg. Zusammenfassung der Studie von Karin Koers (https://www.shiatsu-gsd.de/sites/default/files/shiatsu-artikel/zusammenfassung_vorstudie_shiatsu-und-achtsamkeit-de_en2.pdf). September 2018. – untersucht die Wirksamkeit von Shiatsu in Verbindung mit Achtsamkeit2Achtsamkeit beschreibt hierbei eine „bestimmte Form der Aufmerksamkeitslenkung“, welche „durch drei Merkmale gekennzeichnet ist: (1) absichtsvoll, (2) im gegenwärtigen Moment und (3) nicht werten. auf Stressempfinden, Wohlbefinden und Brunout-Gefährdung von Personen in einer Lebenskrise, die auf einen Therapieplatz für Psychotherapie warteten.

Untersuchte Thesen

Untersucht wurden folgende Fragestellungen/Thesen:

  1. Die Behandlung wirkt sich positiv auf das subjektive Gesamtbefinden des*der Klient*in aus.
  2. Die Achtsamkeit des*der Klient*in verstärkt diese Wirkung von Shiatsu.
  3. Das zusätzliche eigenständige Praktizieren von Achtsamkeitsübungen verstärkt die Wirkung von Shiatsu und macht sie nachhaltiger.
  4. Die Kombination von Achtsamkeitsübungen in Form der „vier Anker“ mit Shiatsu wirkt schneller, intensiver und nachhaltiger als MBSR.3MBSR, die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction) wurde von Jon Kabat-Zinn in den späten 1970er Jahren in den USA entwickelt und zielt auf Stressbewältigung durch die gezielte Lenkung von Aufmerksamkeit. Elemente von MBSR sind die Einübung achtsamer Körperwahrnehmung (Body-Scan), das sanfte und achtsame Ausführen bestimmter Asanas  („Yogastellungen“), das Kennenlernen und Einüben des „Stillen Sitzens“ (Zazen), das achtsame Ausführen langsamer Bewegungen, z.B. in der Form von Kinhin („Gehmeditation“) , Durchführung einer dreiminütigen Achtsamkeitsübung (Breathing-Space) und die Aufrechterhaltung der Achtsamkeit auch bei alltäglichen Verrichtungen.
    Die Vier Anker sind „Erdung“ (das Erleben des Körpergewichts), „Sammlung“ (das Erleben der Atembewegung), „Zentrierung“ (Sammeln der Aufmerksamkeit im Hara) und „Selbstkontakt“ (Sammeln der Aufmerksamkeit im Körperinnenraum.

Shiatsu-PraktikerInnen

In die Studie wurden sieben Shiatsu-Praktiker*innen einbezogen, sechs Frauen und vier Männer, die mehrheitlich zwischen 51 und 60 Jahre alt waren, zwei davon über 60 Jahre. Bis auf eine*n Behandler*in hatten alle Behandler*innen eine von der Gesellschaft für Shiatsu Deutschland (GSD) anerkannte Ausbildung mit über 500 Stunden absolviert. Alle Shiatsu-Praktiker*innen waren vorab geschult worden, um einen vergleichbaren Ablauf in Behandlung, Dokumentation sowie Anleitung der vier Anker sicherzustellen.

Durchführung der Studie

Die Studien-Teilnehmer*innen wurden über Hausärzt*innen und persönliche Kontakte der teilnehmenden Shiatsu-Praktiker*innen akquiriert. Bei Interesse konnten sie über einen Zeitraum von sechs bis 12 Wochen kostenlose Shiatsu-Behandlungen in ihrer Nähe erhalten und verpflichteten sich dafür, in dieser Zeit dreimal sowie einen Monat nach Ende der Behandlungsserie anonym studienrelevante Fragebögen auszufüllen:

  • Perceived Stress Questionnaire (PSQ), der das subjektive Stressempfinden mit den Unterkategorien Sorgen, Anspannung, Freude und Anforderungen misst.4Auf einer Skala von 1 bis 4 wird bewertet, ob der jeweilige Gemütszustand “fast nie”, “manchmal”, “oft” oder “fast immer” auftritt.
    Fliege, H., Rose, M., Arck, P., Levenstein, S., & Klapp, B. F. (2001). Validation of the “Perceived Stress Questionnaire”(PSQ) in a German sample.]. Diagnostica, 47(3), 142-152 (https://www.psycharchives.org//handle/20.500.12034/364).
  • WHO-5 Wohlbefindens-Index mit 7-stufiger Likert-Skala, der der Erfassung des psychischen Wohlbefindens dient.5Auf einer Skala von 1 bis 7 misst dieser Text, wie häufig („niemals“ bis „immer“) positive Gefühle in den letzten Wochen empfunden werden.
    Brähler, E., Mühlan, H., Albani, C., & Schmidt, S. (2007). Teststatistische Prüfung und Normierung der deutschen Versionen des EUROHIS-QOL Lebensqualität-Index und des WHO-5 Wohlbefindens-index. Diagnostica, 53(2), 83-96 (http://psycnet.apa.org/record/2007-08673-003).
  • Tedium Measure (TM), der die Burnout-Gefährdung anhand der Häufigkeit des Gefühls von Überdruss beurteilt.6Werte von 3 bis 4 werden als kritische Stressbelastung und Werte ab 5 als deutliche Burnout-Zeichen interpretiert.
    Stout, J. K., & Williams, J. M. (1983). Comparison of two measures of burnout. Psychological Reports, 53(1), 283-289 (http://psycnet.apa.org/record/1984-08473-001).
  • Mindful Attention and Awareness Scale (MAAS), der die generelle Achtsamkeit misst.7Auf einer Skala von 1 bis 4 wird angegeben, ob „nie“, „selten“, „manchmal“ oder „oft“ bestimmte Situationen oder Empfindungen der Achtsamkeit auftreten.
    Michalak, J., Heidenreich, T., Ströhle, G., & Nachtigall, C. (2008). Die deutsche Version der Mindful Attention and Awareness Scale (MAAS) psychometrische Befunde zu einem Achtsamkeitsfragebogen. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 37(3), 200-208 (http://psycnet.apa.org/record/2009-03700-005).
  • Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit (FFA), der die Achtsamkeit bezogen auf den Umgang mit sich selbst sowie die Unterkategorien von Achtsamkeit Akzeptanz und Präsenz misst.8Die Werte von 1 bis 4 entsprechen den Angaben, „nie“, „selten“, „manchmal“ oder „oft“ achtsam gegenüber sich selbst zu sein.
    Kohls, N., Sauer, S., & Walach, H. (2009). Facets of mindfulness–Results of an online study investigating the Freiburg mindfulness inventory. Personality and Individual Differences, 46(2), 224-230 (http://psycnet.apa.org/record/2008-17490-027).
  • Darüber hinaus enthielten die Fragebögen zusätzlich Fragen zur Bewertung des Programmablaufs, sowohl inhaltlich als auch organisatorisch, um spezifische Aspekte der eingesetzten Methode zu erheben.
  • Neben der Befragung des*der Klient*in wurde nach jeder Sitzung auch ein Behandlungsprotokoll vimm*von der Shiatsu-Praktiker*in ausgefüllt. Dieses enthält Angaben zur Organisation und Realisierung der Termine, zur Durchführung der Behandlung sowie Feedback des*der Klient*in über Erfahrungen während der Behandlung selbst sowie über die eigenständige Durchführung und Einschätzung der Übungen seit der letzten Behandlung.

Behandlungen

Die Behandlungen erfolgten zwischen April 2017 und Februar 2018. Von den ursprünglich insgesamt 26 Proband*innen brachen zwei die Studie ab, so dass sie letztlich mit 24 Teilnehmer*innen zu Ende geführt wurde. Durchschnittlich fanden acht Behandlungen innerhalb von sieben Wochen statt, wobei der kürzeste Behandlungszyklus drei Wochen und der längste 12 Wochen betrug. 16 Proband*innen erhielten ihre Behandlungen wöchentlich, sieben vereinbarten mit ihren Behandler*innen zwei Sitzungen pro Woche.9Gründe für Abweichungen vom „Wochenschema“ waren akute Krisensituationen ebenso wie terminliche Probleme. Nur etwa 4% der Behandlungstermine konnten wegen diverser Gründe (z.B. Vorstellungsgespräch, Krankheit, Reisen oder Missverständnisse) nicht wie geplant realisiert werden.

Der Fokus der Behandlung lag auf der Shiatsu-Behandlung selbst, die weitgehend in Stille und einer achtsamen Atmosphäre stattfand, wobei der*die Klient*in eine überwiegend passive Rolle einnahm. Ihre Aufmerksamkeit, so die Anweisung, richtete sich während der Behandlung ganz auf die Berührungen des*der Behandler*in und die Wirkungen, die von diesen Berührungen ausgehen, um sich in ein vertieftes Selbsterleben führen zu lassen.

Eingeleitet wurden die Behandlungen mit der „Vier-Anker-Übung“ aus der Achtsamkeitspraxis. Die Übungen sind darauf ausgerichtet, die körperliche, geistige und energetische Ebene zu bündeln und den*die Teilnehmer*in damit auf die Shiatsu-Behandlung vorzubereiten: Sie wird vom*von der Behandler*in dazu angeleitet, zunächst sein*ihr Körpergewicht und dann seine*ihre Atembewegung bewusst zu erleben, um sich zu erden und zu sammeln. Dann soll die Aufmerksamkeit zunächst auf die Körpermitte und schließlich in den Körperinnenraum gelenkt werden, um sich zu zentrieren und das Körperfeld zu erleben. Abgeschlossen wird jede Behandlung mit einer Nachbesprechung des in der Sitzung Erlebten.

Die Behandlungen dauerten durchschnittlich knapp 75 Minuten, 11 Minuten davon (Spannbreite von fünf bis 30 Minuten) die Achtsamkeitsübungen zu Beginn der Sitzung. Die Shiatsu-Behandlungen selbst dauerten 48 (25 bis 70) Minuten und die Gespräche zur Nach- und (manchmal) Vorbereitung durchschnittlich 15 (1 bis 50 Minuten).

TeilnehmerInnen

Die behandelten Studienteilnehmer*innen waren 21 Frauen und drei Männer. Zwei der Proband*innen waren unter 30 Jahre alt, fünf im Alter zwischen 31 und 40, acht zwischen 41 und 50, sechs zwischen 51 und 60 und drei über 60 Jahre alt. 54% der Proband*innen (13) waren zu Beginn der Studie erwerbstätig, wobei die wöchentliche Arbeitszeit zwischen 8 und 45 Stunden (Durchschnitt: 34,1; Median: 40) betrug. Von diesen Studienteilnehmer*innen schätzten 8% ihre Arbeitsbelastung als gering, 31% als mäßig, 23% als eher hoch und 39% als sehr hoch ein, die Gestaltung der Arbeitszeit 8% als sehr unflexibel, 39% als eher unflexibel, 31% als eher flexibel und 23% als sehr flexibel. 8% der Erwerbstätigen gaben an, fast nie ausreichend Zeit zur Erholung zu haben, 46% selten, 39% meistens und 8% immer. Von ihrer Arbeit überlastet fühlten sich 54% selten, 39% meistens und 8% immer. 62% der erwerbstätigen Teilnehmer*nnen verfügten dabei ihren eigenen Angaben zufolge, eher nicht über angemessene Stressbewältigungsstrategien.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Ergebnisbericht „Shiatsu als Weg in die Achtsamkeitspraxis“ von Jana Kraft (https://www.shiatsu-gsd.de/sites/default/files/shiatsu-artikel/ergebnisbericht_shiatsu_achtsamkeit_18-06-22_final_0.pdf). 20.6.2018, Hochschule Coburg. Zusammenfassung der Studie von Karin Koers (https://www.shiatsu-gsd.de/sites/default/files/shiatsu-artikel/zusammenfassung_vorstudie_shiatsu-und-achtsamkeit-de_en2.pdf). September 2018.
  • 2
    Achtsamkeit beschreibt hierbei eine „bestimmte Form der Aufmerksamkeitslenkung“, welche „durch drei Merkmale gekennzeichnet ist: (1) absichtsvoll, (2) im gegenwärtigen Moment und (3) nicht werten.
  • 3
    MBSR, die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction) wurde von Jon Kabat-Zinn in den späten 1970er Jahren in den USA entwickelt und zielt auf Stressbewältigung durch die gezielte Lenkung von Aufmerksamkeit. Elemente von MBSR sind die Einübung achtsamer Körperwahrnehmung (Body-Scan), das sanfte und achtsame Ausführen bestimmter Asanas  („Yogastellungen“), das Kennenlernen und Einüben des „Stillen Sitzens“ (Zazen), das achtsame Ausführen langsamer Bewegungen, z.B. in der Form von Kinhin („Gehmeditation“) , Durchführung einer dreiminütigen Achtsamkeitsübung (Breathing-Space) und die Aufrechterhaltung der Achtsamkeit auch bei alltäglichen Verrichtungen.
    Die Vier Anker sind „Erdung“ (das Erleben des Körpergewichts), „Sammlung“ (das Erleben der Atembewegung), „Zentrierung“ (Sammeln der Aufmerksamkeit im Hara) und „Selbstkontakt“ (Sammeln der Aufmerksamkeit im Körperinnenraum.
  • 4
    Auf einer Skala von 1 bis 4 wird bewertet, ob der jeweilige Gemütszustand “fast nie”, “manchmal”, “oft” oder “fast immer” auftritt.
    Fliege, H., Rose, M., Arck, P., Levenstein, S., & Klapp, B. F. (2001). Validation of the “Perceived Stress Questionnaire”(PSQ) in a German sample.]. Diagnostica, 47(3), 142-152 (https://www.psycharchives.org//handle/20.500.12034/364).
  • 5
    Auf einer Skala von 1 bis 7 misst dieser Text, wie häufig („niemals“ bis „immer“) positive Gefühle in den letzten Wochen empfunden werden.
    Brähler, E., Mühlan, H., Albani, C., & Schmidt, S. (2007). Teststatistische Prüfung und Normierung der deutschen Versionen des EUROHIS-QOL Lebensqualität-Index und des WHO-5 Wohlbefindens-index. Diagnostica, 53(2), 83-96 (http://psycnet.apa.org/record/2007-08673-003).
  • 6
    Werte von 3 bis 4 werden als kritische Stressbelastung und Werte ab 5 als deutliche Burnout-Zeichen interpretiert.
    Stout, J. K., & Williams, J. M. (1983). Comparison of two measures of burnout. Psychological Reports, 53(1), 283-289 (http://psycnet.apa.org/record/1984-08473-001).
  • 7
    Auf einer Skala von 1 bis 4 wird angegeben, ob „nie“, „selten“, „manchmal“ oder „oft“ bestimmte Situationen oder Empfindungen der Achtsamkeit auftreten.
    Michalak, J., Heidenreich, T., Ströhle, G., & Nachtigall, C. (2008). Die deutsche Version der Mindful Attention and Awareness Scale (MAAS) psychometrische Befunde zu einem Achtsamkeitsfragebogen. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 37(3), 200-208 (http://psycnet.apa.org/record/2009-03700-005).
  • 8
    Die Werte von 1 bis 4 entsprechen den Angaben, „nie“, „selten“, „manchmal“ oder „oft“ achtsam gegenüber sich selbst zu sein.
    Kohls, N., Sauer, S., & Walach, H. (2009). Facets of mindfulness–Results of an online study investigating the Freiburg mindfulness inventory. Personality and Individual Differences, 46(2), 224-230 (http://psycnet.apa.org/record/2008-17490-027).
  • 9
    Gründe für Abweichungen vom „Wochenschema“ waren akute Krisensituationen ebenso wie terminliche Probleme. Nur etwa 4% der Behandlungstermine konnten wegen diverser Gründe (z.B. Vorstellungsgespräch, Krankheit, Reisen oder Missverständnisse) nicht wie geplant realisiert werden.

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