Wilbacher, Ingrid: Wirksamkeit von Massage – allein oder in Kombination mit Bewegungstherapie

Massage

Die Überblicksarbeit des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger „Wirksamkeit von Massage – allein oder in Kombination mit Bewegungstherapie“ wurde von Mag. Ingrid Wilbacher, PhD (Ko-Autorin: Mag. Sonja Scheffel, BA) im Mai 2017 erstellt.1http://www.hauptverband.at/cdscontent/load?contentid=10008.646121&version=1509610145 Eine Zusammenfassung der Arbeit findet sich unter dem Titel „Wirksamkeit von Massage“ unter http://hauptverband.at/portal27/hvbportal/content?contentid=10007.785420&portal:componentId=gtn5d2dbccc-75a6-4afc-a2a2-9747d2847655&viewmode=content.2Zugriff 25.12.2017.

Ausgangspunkt der Studie

Massage wird, so die Autorin, vor allem bei Patient*innen mit unspezifischen Rückenbeschwerden, Nackenschmerzen und chronischen (muskuloskeletalen) Schmerzen sowie bei Kopfschmerzen und Fibromyalgiesyndrom (FMS) eingesetzt.

80% der Bevölkerung, so die Stuide, sind im Laufe ihres Lebens von Rückenschmerzen betroffen, chronische Nackenschmerzen betreffen etwa 10% der Männer und 17% der Frauen, Kopfschmerzen etwa 90% aller Menschen im Laufe ihres Lebens.

Ausschlusskriterien: Ausgeschlossen in den Studien (mit Hilfe von Anamnese, körperlicher Untersuchung und gegebenenfalls bildgebenden Verfahren und/oder Labordiagnostik) werden gravierende andere Krankheiten („red flags“) und Chronifizierungsrisiken („yellow glags“).

Therapie: Die übliche Therapie ist medikamentös für die kurzfristige oder chronische Schmerzlinderung, zudem wird „Bewegung, teilweise manuelle Therapie/ Mobilisation und Patientenschulung zum Selbstmanagement empfohlen. Passive Modalitäten werden als Zusatzoption genannt, psychologische Interventionen bei entsprechender Indikation/Komorbidität angeboten“.3Quelle: http://hauptverband.at/portal27/hvbportal/content?contentid=10007.785420&portal:componentId=gtn5d2dbccc-75a6-4afc-a2a2-9747d2847655&viewmode=content

Fokus der Studie

In der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf Massageformen der Schwedischen (klassischen) Massage und der Triggerpunktmassage.

Die Schwedische (klassische) Massage besteht aus gleitenden, knetenden, fraktionierenden, haltenden, klopfenden und vibrierenden Bewegungen mit dem Ziel der Muskelentspannung und des Wohlbefindens – und wird typischerweise im Sport und im Wellnessbereich angeboten. Sie soll „entspannen und Wohlbefinden erzeugen“.4Quelle nach I. Wilbacher (Wirksamkeit von Massage – allein oder in Kombination mit Bewegungstherapie. 2007), S.21: Furlan AD I. M., 2008.

Akupunktmassage / Triggerpunktmassage besteht aus direkter Druckanwendung auf schmerzauslösende Punkte (Trigger Points), rollenden Bewegungen auf der Haut, Dehnung im Widerstand, manueller Dehnung und Fraktionierung gegen die Muskelstrangrichtung (cross-fibre-friction).5Quelle nach I. Wilbacher (Wirksamkeit von Massage – allein oder in Kombination mit Bewegungstherapie. 2007), S.21: Furlan AD I. M., 2008.

Bindegewebsmassage (die zu einer reduzierten Spannung im autonomen Nervensystem und sekundär zu einer verbesserten Blutzirkulation, Schmerzbesserung und verbesserter Beweglichkeit führen soll) sowie Energiearbeit (mit dem Ziel der Lösung von energetischen Blockaden) und andere komplementäre Maßnahmen werden nicht berücksichtigt.

Unter Bewegung, die Funktionsdefizite beseitigen oder zumindest reduzieren sowie Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer und Gleichgewicht fördern soll, werden alle aktiven Therapieformen zu Beweglichkeit, Muskeltraining (Kraft und Ausdauer) und Gleichgewichtsübungen verstanden.

Die Bewegung muss Teil der Therapie sein und strukturiert angeboten werden oder zumindest nach einer strukturierten Schulung kontrolliert als Bewegungsprogramm zu Hause stattfinden. Alltagsbewegung wird nicht als Therapieteil gesehen (vor allem aus pragmatischen Gründen der fehlenden Vergleichbarkeit).

Methodik

Einbezogen wurden Guidelines von G-I-N, SIGN direkt und von AWMF, Reviews (Übersichtsarbeiten) der Cochrane Database und ergänzende kontrollierte Studien in Pubmed. Einbezogen wurden letztlich 20 Leitlinien, 4 Übersichtsarbeiten und 4 kontrollierte Studien.

Ergebnisse

Rückenschmerzen: Inkludiert wurden hier 9 Leitlinien und 1 Review von Cochrane. Von diesen zehn Arbeiten empfehlen acht die Massage in Kombination mit Bewegung. Eine Leitlinie sieht Massage bei Bandscheibenvorfall mit radikulärer Symptomatik als wissenschaftlich nicht belegt. Die Cochrane Übersichtsarbeit beschreibt eine positive Wirkung von Massage. Zusätzlich wurden zwei Studien (RCTs) einbezogen, die Massage mit Bewegung versus nur Bewegung und Massage mit Bewegung versus nur Massage vergleichen.6Wilbacher, I.: Wirksamkeit von Massage – allein oder in Kombination mit Bewegungstherapie. 2007, S. 31.
Studien zur positiven Wirkung von Massage mit und ohne Bewegungstherapie sind auf Seite 25f angeführt.

Zusammenfassend wird gesagt, dass eine (geringe) positive Evidenz für eine kurzfristige Wirkung von Massage vorliegt und für einen langfristigen Therapieerfolg in 8 von 9 Leitlinien (deshalb) die Kombination von Massage mit Bewegungstherapie empfohlen wird.7Ebd. S. 34f. Zwei Studien zeigen zudem Hinweise darauf, dass Bewegungstherapie mit Massage die gleichen längerfristigen Erfolge zeigt wie Bewegungstherapie ohne Massage.8Ebd. S. 29ff.

Chronische Schmerzen: In sechs der elf evidenz-basierten Leitlinien wird der Einsatz von Massage (verbunden mit Bewegungstherapie) empfohlen. Generell zeigt sich eine positive Wirkung von Massage in den angeführten Studien.9Ebd. S. 26. Direkte Vergleichsstudien (RCTs) zwischen Massage und anderen Methoden bzw. Kombinationen liegen nicht vor.

Kopfschmerzen: Beide inkludierten Guidelines/Übersichtsarbeiten empfehlen Massage in Kombination mit Bewegung, direkte Vergleichsstudien (RCTs) gibt es keine.10Ebd. S. 26.

Nackenschmerzen: Eine Leitlinie empfiehlt Massage in Kombination mit Bewegung, die beiden AWMF-Leitlinien und der Cochrane Review treffen negative Aussagen zur Wirksamkeit von Massage.11Ebd. S. 27.

Juvenile Rheumatoide Arthritis: Eine Richtlinie berichtet von positiver Wirksamkeit der Massage, die zweite Richtlinie hält die fehlende Wirksamkeitsevidenz fest. Direkte Vergleichsstudien (RCTs) liegen nicht vor.12Ebd. S. 27.

Fibromyalgie: Eine AWMF-Leitlinie berichtet von unzulänglicher Evidenz einer positiven Wirkung von Massage, RCTs liegen ebenfalls nicht vor.13Ebd. S. 28.

Unter sonstige Indikationen werden zwei Leitlinien zu muskuloskeletalen Schmerzen bzw. Schmerz und Angst im Alter angeführt, die über eine positive Wirkung der Massage berichten, zwei Cochrane-Übersichtsarbeiten hingegen belegen widersprüchliche oder inkonsistente Angaben zur Wirksamkeit der Massage bei Arm-, Nacken- oder Schulterschmerzen bzw. Leistenschmerz bei Sportlern.

Eine direkte Vergleichsstudie zu Gonarthrose ist wegen der Ungleichheit der Vergleichsgruppen nicht bewertbar, die Studie zu Fersenschmerzen findet leichte Vorteile für die Gruppe „Bewegung ohne Massage“

Diskussion

„Massage“, so die Autorin, „ist als Studien-Intervention a) selten alleinig angewendet und b) schwer zu verblinden. Von vielen Menschen wird Massage als angenehm empfunden und beinhaltet auch eine Zuwendungskomponente. Der Einsatz als alleinige Form der Krankenbehandlung bei den vorab gelisteten Indikationen ist unüblich und – nicht zuletzt aufgrund von a) und b) – nicht mit Evidenz zur Wirksamkeit unterlegt. Vor allem für einen langfristigen Therapieerfolg wird bei Rückenschmerzen, chronischen Spannungskopfschmerzen und auch chronischen unspezifischen Schmerzen die Kombination mit Bewegungstherapie empfohlen“.14http://hauptverband.at/portal27/hvbportal/content?contentid=10007.785420&portal:componentId=gtn5d2dbccc-75a6-4afc-a2a2-9747d2847655&viewmode=content

Und weiter: „Für ein generelles Leistungsangebot ohne Einschränkung auf bestimmte Indikationen ist nach derzeitiger Evidenzlage davon auszugehen, dass Massage als Krankenbehandlung in Kombination mit Bewegungstherapie eine bessere Wirksamkeit erzielen kann, als ohne Bewegung“15Ebd. („For a general public service provision without any limitations to special indications the current evidence suggests a superior effectiveness for the combination of massage with exercise than for massage alone“16Wilbacher, I.: Wirksamkeit von Massage – allein oder in Kombination mit Bewegungstherapie. 2007, S. 12.).

Anmerkungen/Fußnoten