Historischer Abriss über die Traditionelle Fernöstliche Medizin und Shiatsu

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Die Wurzeln des Shiatsu

Die Anfänge von Shiatsu lassen sich einerseits auf Bodhidharma zurückführen, der etwa um 530 v. Chr. ein System von Übungen zur Erhaltung der Gesundheit und zur geistigen Schulung eingeführt haben soll. Dieses Übungssystem, Dao Yin (japanisch Do-in) genannt, umfasste neben körperlichen und Atemübungen auch die Selbstbehandlung durch Massage und die Anregung spezifischer Akupunkturpunkte.

Entsprechend dem Leitsatz von Hua Tuo, dass der kluge Arzt nicht heilt, sondern dass er Erkrankungen vorbeugt, wurde Dao Yin bald zu einem integralen Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin und verbreitete sich im Laufe der Zeit zusammen mit den anderen traditionellen Heilkünsten (Akupunktur, Moxibustion, Kräutertherapie, Schröpfen und Ernährungslehre) über weite Teile Asiens.

Zum anderen entwickelte sich schon sehr früh die von den chinesischen Ärzten ausgeführte Massage (Tui Na oder auch An Mo), die erstmals im Huang Di Nei Jing Erwähnung findet. Etwa zur gleichen Zeit wie das „Buch des Gelben Kaisers” (zwischen 475 und 221 v. Chr.) entstand auch das erste Lehrbuch der Heilmassage, der „Klassiker der zehn Kapitel über Massage und Atemübungen”.

Tui Na basiert auf denselben theoretischen Grundlagen wie Akupunktur und Kräuterheilkunde und besonders wesentlich ist die Erfahrung, dass die inneren Funktionen des Körpers über zuordenbare Bahnen und Kanäle mit der Körperoberfläche in Verbindung stehen. Im Wissen um diese Zusammenhänge können durch die Behandlung bestimmter Punkte und Zonen auf der Körperoberfläche innere Funktionen beeinflusst und Organe ins Gleichgewicht gebracht werden. Akupressur (Zhi Zhen Liao Fa) als Teilbereich von Tui Na, wobei Finger statt Nadeln zur Beeinflussung von Akupunkturpunkten eingesetzt werden, wird ebenfalls in den „Vorschriften zur Soforthilfe in Notfällen” (3. Jahrhundert nach Christi) erwähnt, wo von der Behandlung eines bewusstlosen Patienten durch Fingerdruck auf GV 26 (Ren Zhong) berichtet wird.

Schon sehr früh, in der Zeit der Wei- und Jin-Dynastie (220 – 420) gab es bereits spezialisierte Tui-Na-Kliniken in China, und seit der Gründung der kaiserlichen medizinischen Akademie zu Beginn des 7. Jahrhunderts war Tui Na eine der gelehrten Heilmethoden, mit der insbesondere Kinder behandelt wurden. Während der Ming-Zeit (1368 – 1644) entwickelte sich die Heilmassage für Kinder (Xiao Er Tui Na) dann zu einer eigenständigen Disziplin innerhalb der chinesischen Medizin, da die chinesischen Ärzte schon sehr früh erkannt hatten, dass sich Kinder physiologisch, anatomisch und energetisch von Erwachsenen unterscheiden. Akupunkturpunkte und Meridiane haben bei Kindern nicht im gleichen Ausmaß Gültigkeit. Daraus entwickelte sich ein spezielles Repertoire von Punkten und Behandlungstechniken für Kinder, das sich von Akupunktur und Massagemethoden für Erwachsene unterscheidet. Tui Na kommt auch heute noch in der traditionellen chinesischen Medizin ein hoher Stellenwert zu. Angewendet wird sie vor allem bei sensiblen und nadelempfindlichen Patienten sowie bei Kindern. Auch bei anderen Beschwerden und Dysfunktionen, die auf Akupunktur und Moxibustion ansprechen, kann und wird sie mit Erfolg eingesetzt.

In Japan, das die Lehren der chinesischen Medizin übernahm, hat sich aus Tui Na die „Japanische Massage” (Anma) entwickelt. In der Edo-Zeit (vor etwa 300 Jahren) mussten die japanischen Ärzte Anma studieren und sich mit der Struktur des menschlichen Körpers sowie seinen Energiebahnen und Druckpunkten vertraut machen, um so die Grundprinzipien der östlichen Medizin zu verstehen wie auch die notwendigen praktischen Fähigkeiten zu entwickeln. Angewendet wurde dann, je nach spezifischem Fall, die jeweils adäquat erscheinende Behandlungsmethode, also Kräutertherapie, Akupunktur, Moxibustion oder manuelle Behandlung.

Später verlor sich die therapeutische Anwendung und die Bedeutung von Anma. Massage wurde bald nur noch angewendet, um Muskelverspannungen zu lösen und schließlich überhaupt nur noch, um angenehme und lustvolle Gefühle hervorzurufen, was dazu führte, dass Anma nicht mehr als medizinische Therapieform betrachtet wurde.

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