Patricia Janssen et al: Massage Therapy and Labor Outcomes

Massage

Massage ist, so die Autorinnen der 2012 erschienen Studie „Massage Therapy and Labor Outcomes“1Patricia Janssen, Farah Shroff & Paula Jaspar: Massage Therapy and Labor Outcomes: a Randomized Controlled Trial. International Journal of Therapeutic Massage and Bodywork. Vol 5, No 4 (Dezember 2012). http://www.ijtmb.org/index.php/ijtmb/article/view/164/237. Zugriff: 12.12.2018.,   eine „altehrwürdige Methode“, mit der Frauen schon seit Jahrtausenden Unterstützung erhalten haben.2Die Autor*innen führen dazu an, dass die alten Römer Massage angewendet haben und diese auch von Hippokrates befürwortet wurde. In der Neuzeit wurde sie Ende des 18. Jahrhunderts in Schweden gleichsam neu erfunden – weshalb man vielfach von „schwedischer Massage“ spricht. Sie beruht vor allem auf fünf grundlegenden Techniken, nämlich „kneading, rolling, vibration, percussive, and tapping“ („kneten, rollen, vibrieren, schlagen und klopfen“). In Österreich spricht man im Kontext der Massage meist von Effleurage (Streichung), Petrissage (Knetung), Friktion (Reibung), Tapotement (Klopfen) und Vibration. Öl wird verwendet, um die Reibung auf der Haut zu verringern. Der Massagewirkung liegt dabei, so eine der theoretischen Annahmen, ein spezifisch gesetzter Reiz zugrunde, der die Übertragung der Schmerzimpulse auf das Gehirn stört, das „Tor“ zur Schmerzwahrnehmung „schließt“. Andere Theorien wiederum gehen davon aus, dass Massagebehandlungen Endorphine freisetzen und den Serotinspiegel erhöhen, um auf diese Weise die Übertragung von Schmerz erzeugenden Nervenimpulsen an das Gehirn zu hemmen.3Theorien, die darauf beruhen, dass mit der Massagebehandlung nicht die Reizübertragung ins Gehirn sondern die Verarbeitung der eingelangten Impulse im Gehirn moduliert wird, werden hier nicht berücksichtigt (die „Bewertung“ der einlangenden Reize von den Nozizeptoren erfolgt im limbischen System und entscheidet darüber, wie wir einen Schmerzreiz erleben, vgl. z.B. https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/fuehlen/schmerzlich-aber-unabdingbar. Zugriff: 12.12.2018).

Die Bedeutung von Massagebehandlungen in der modernen Geburtshilfe wurde bislang nicht ausreichend evaluiert und entsprechende Studien liegen nur in einem sehr begrenzten Ausmaß vor. In einer taiwanesischen Studie (2002)4Chang M, Wang S, Chen C. Effects of massage on pain and anxiety during labour: a randomized controlled trial in Taiwan. J Advanced Nurs. 2002;38(1):68–73. beispielsweise erhielten 60 erstgebärende Frauen eine 30-minütige Massage in jeder Phase der Wehen.5Zuerst vom*von der Hauptforscher*in, dann vom Partner der Frau in jeder Phase der Wehen. Dabei zeigte sich, dass die Schmerzen der Gebärenden, die eine Massage-Behandlung erhielten, in allen Phasen der Wehen signifikant niedriger waren als in der Kontrollgurppe.6Bewertet wurde die Schmerzintensität von einer Pflegefachkraft anhand der Atmung (normale Atmung, erhöhte Häufigkeit oder erhöhte Amplitude der Atmung, intermittierende heftige Atmung, anhaltendes heftig Atmung und Erregung). Eine türkische Studie mit 49 Erst- und Mehrgebärenden (2004)7Yildirim G, Sahin N. The effect of breathing and skin stimulation techniques on labour pain perception of Turkish women. Pain Res Manag. 2004;9(4):183–187. berichtet von einer Schmerzreduktion, wenn die Frauen vor der Geburt eingeschult und während der Wehen von einer Pflegefachkraft massiert wurden. Eine Pilotstudie in Großbritannien (2008)8Kimber L, McNabb M, McCourt C, et al. Massage or music for pain relief in labour: a pilot randomized placebo controlled trial. Eur J Pain. 2008;12(8):961–969. verglich insgesamt 35 erst- und mehrgebärende Frauen. In der einen Gruppe wurden die Frauen von ihrem Partner massiert, in der Placebo-Gruppe wurde nur Entspannungsmusik gespielt und in der dritten Gruppe erhielten sie die übliche Betreuung. Dabei zeigte sich eine nicht statistisch signifikante Reduktion der Schmerzwahrnehmung bei jenen Frauen, die Massagebehandlungen erhielten. 28 Frauen in einer Studie in den USA (1997)9Field T, Hernandez-Reif M, Taylor S, et al. Labour pain is reduced by massage therapy. J Psychosom Obstet Gynaecol. 1997;18(4):286–291., die von ihrem Partner eine Massage bekamen, berichteten, im Vergleich zu Frauen, die keine bekamen, über ein geringeres Maß an Stress und Schmerzen während der Geburt. Und eine Studie aus dem Iran (2007)10Koda Karami N, Safarzadeh A, Fathizadeh N. Effect of massage therapy on severity of pain and outcome of labor in primipara. Iranian J Nurse Midwifery. 2007;12(1):6–9. mit 60 erstgebärenden Frauen berichtet von geringeren Schmerzen in der ersten Phase der Geburt bei jenen Frauen, die von der Hebamme eine Massagebehandlung erhielten.11Im Vergleich zu Frauen, die nur die übliche Pflege und Unterstützung erhielten. Keine Studie aber, dem Kenntnisstand der Autor*innen folgend, hat bislang die Auswirkungen von Massagebehandlungen (durch professionelle Massage-Therapeut*innen12In British Columbia, wo die Studie durchgeführt wurde, haben registrierte Massagetherapeut*innen eine zweijährige Ausbildung absolviert und werden vom College of Massage Therapists reguliert. Ihre Leistungen werden von Drittversicherungen (Privatversicherungen) für Personen vergütet, die (oder deren Arbeitgeber*innen) erweiterte medizinische Versorgungsleistungen erworben haben und von einem*einer Ärzt*in überwiesen werden.) auf die Wehen und den Geburtsverlauf erforscht.

Zielsetzung

Das Ziel der vorliegenden, randomisierten Pilotstudie von Patricia Janssen et al. war es, die Wirksamkeit von therapeutischen Massagebehandlungen während der Wehen (ausgeführt von registrierten Massage-TherapeutInnen) zu erfassen. Die Autor*innen haben dabei als Hypothese angenommen, dass durch die Massagebehandlungen die Anwendung einer Epiduralanalgesie hinausgeschoben wird.

Versuchsteilnehmer*innen

Die Studie fand am BC Women’s Hospital statt, einem akademischen Lehrkrankenhaus in Vancouver, British Columbia, Kanada. Zulassungskriterien waren Erstschwangerschaft, Einlingsschwangerschaft, 37. bis 41. Schwangerschaftswoche, mütterliches Alter zwischen 18 und 35 Jahren, spontane Wehen13In der Studie definiert als schmerzhafte Kontraktionen, die zu Veränderungen im Muttermund (Gebärmutterhals) führen. Der Muttermund ist zum Zeitpunkt der ersten Massagebehandlung durchschnittlich 1 cm oder mehr geöffnet. und die Fähigkeit Englisch zu spechen und zu lesen.

Ausgeschlossen wurden Frauen mit bestehenden Erkrankungen wie insulinabhängiger Diabetes, Nieren-, Herz- oder Schilddrüsenerkrankungen, Bluthochdruck, Epilepsie, Psychose, Konsum illegaler Drogen oder andere während der Schwangerschaft auftretende Erkrankungen, die eine nicht routinemäßige Überwachung und/oder Interventionen erforderten, einschließlich Schwangerschaftsdiabetes, Schwangerschaftsbluthochdruck, Blutungen im zweiten oder dritten Trimester (Schwangerschaftsdrittel), intrauterine Wachstumseinschränkung, Vorhandensein einer fetalen Anomalie oder ein vorzeitiger Blasensprung. Ebenfalls ausgeschlossen wurden Frauen, die seit 24 Stunden Wehen hatten oder eine Muttermundöffnung von 10 cm und mehr aufwiesen.14Um sicherzustellen, dass Frauen die Möglichkeit haben, sich vor der Geburt über die Studie zu informieren, gab es Informationsbroschüren im Geburtsvorbereitungskurs im Krankenhaus und am Schalter, an dem Frauen Vorregistrierungspakete für Krankenhäuser erhielten. Bei der Einweisung in den Aufnahmebereich (Triage-Bereich) informierten die Krankenpfleger*innen geeignete Frauen über die Studie.

Die Randomisierung erfolgte unmittelbar nach Einholung der Zustimmung. Für Frauen, die dafür ausgewählt wurden, begannen die Massagebehandlungen sofort. Alle Frauen konnten (unabhängig ob sie in der Versuchs- oder der Kontrollgruppe waren) jederzeit andere nicht-invasive „Schmerzmodalitäten“ nutzen, wie Spazierengehen, Duschen, Musik hören, Visualisierungsübungen oder die Verwendung einer Geburtskugel.15Birthing Ball. https://www.babycentre.co.uk/a1048463/using-a-birthing-ball. Zugriff: 12.12.2018. Immer auch konnten sie Schmerzmittel anfordern, einschließlich epiduraler Analgesie. Die Massagetherapie war (pragmatisch) nur als eine ergänzende Möglichkeit neben den routinemäßig verfügbaren Methoden der Schmerzbehandlung gedacht.

Von 131 Frauen, die die Einschlusskriterien erfüllten und denen die Teilnahme an der Studie angeboten wurde, stimmten 77 (58,7%) einer Teilnahme zu. 37 von ihnen wurden (zufällig) für Massage während der Wehen (Versuchsgruppe) und 40 für Massage nach der Geburt (Kontrollgruppe) zugewiesen.

Trotz zufälliger Zuordnung waren die Frauen in der Massagebehandlungs-Gruppe durchschnittlich jünger, hatten eine niedrigere Schulbildung und waren seltener erwerbstätig. Sie sprachen auch häufiger Englisch zuhause. Frauen in der Massagebehandlungs-Gruppe hatten zudem eher eine Doula16Eine Doula ist eine Schwangerschafts-, Geburts- und Wochenbettbegleiterin, die sich vor, während und nach der Geburt eines Kindes um die Frau kümmert, den Partner unterstützt und beiden hilft, emotional mit der Situation zurechtzukommen. Sie übernehmen aber keine medizinischen Tätigkeiten und ersetzten weder eine Hebamme noch ärztliche Geburtshelfer. in der Wehenphase und waren seltener in Geburtvorbereitungskursen. Durchschnittlich kamen sie zu einem etwas früheren Zeitpunkt der Wehen, was sich u.a. in der geringeren Weitung des Muttermundes zeigte. Auch hatten sie häufiger einen Blasensprung.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Patricia Janssen, Farah Shroff & Paula Jaspar: Massage Therapy and Labor Outcomes: a Randomized Controlled Trial. International Journal of Therapeutic Massage and Bodywork. Vol 5, No 4 (Dezember 2012). http://www.ijtmb.org/index.php/ijtmb/article/view/164/237. Zugriff: 12.12.2018.
  • 2
    Die Autor*innen führen dazu an, dass die alten Römer Massage angewendet haben und diese auch von Hippokrates befürwortet wurde. In der Neuzeit wurde sie Ende des 18. Jahrhunderts in Schweden gleichsam neu erfunden – weshalb man vielfach von „schwedischer Massage“ spricht. Sie beruht vor allem auf fünf grundlegenden Techniken, nämlich „kneading, rolling, vibration, percussive, and tapping“ („kneten, rollen, vibrieren, schlagen und klopfen“). In Österreich spricht man im Kontext der Massage meist von Effleurage (Streichung), Petrissage (Knetung), Friktion (Reibung), Tapotement (Klopfen) und Vibration. Öl wird verwendet, um die Reibung auf der Haut zu verringern.
  • 3
    Theorien, die darauf beruhen, dass mit der Massagebehandlung nicht die Reizübertragung ins Gehirn sondern die Verarbeitung der eingelangten Impulse im Gehirn moduliert wird, werden hier nicht berücksichtigt (die „Bewertung“ der einlangenden Reize von den Nozizeptoren erfolgt im limbischen System und entscheidet darüber, wie wir einen Schmerzreiz erleben, vgl. z.B. https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/fuehlen/schmerzlich-aber-unabdingbar. Zugriff: 12.12.2018).
  • 4
    Chang M, Wang S, Chen C. Effects of massage on pain and anxiety during labour: a randomized controlled trial in Taiwan. J Advanced Nurs. 2002;38(1):68–73.
  • 5
    Zuerst vom*von der Hauptforscher*in, dann vom Partner der Frau in jeder Phase der Wehen.
  • 6
    Bewertet wurde die Schmerzintensität von einer Pflegefachkraft anhand der Atmung (normale Atmung, erhöhte Häufigkeit oder erhöhte Amplitude der Atmung, intermittierende heftige Atmung, anhaltendes heftig Atmung und Erregung).
  • 7
    Yildirim G, Sahin N. The effect of breathing and skin stimulation techniques on labour pain perception of Turkish women. Pain Res Manag. 2004;9(4):183–187.
  • 8
    Kimber L, McNabb M, McCourt C, et al. Massage or music for pain relief in labour: a pilot randomized placebo controlled trial. Eur J Pain. 2008;12(8):961–969.
  • 9
    Field T, Hernandez-Reif M, Taylor S, et al. Labour pain is reduced by massage therapy. J Psychosom Obstet Gynaecol. 1997;18(4):286–291.
  • 10
    Koda Karami N, Safarzadeh A, Fathizadeh N. Effect of massage therapy on severity of pain and outcome of labor in primipara. Iranian J Nurse Midwifery. 2007;12(1):6–9.
  • 11
    Im Vergleich zu Frauen, die nur die übliche Pflege und Unterstützung erhielten.
  • 12
    In British Columbia, wo die Studie durchgeführt wurde, haben registrierte Massagetherapeut*innen eine zweijährige Ausbildung absolviert und werden vom College of Massage Therapists reguliert. Ihre Leistungen werden von Drittversicherungen (Privatversicherungen) für Personen vergütet, die (oder deren Arbeitgeber*innen) erweiterte medizinische Versorgungsleistungen erworben haben und von einem*einer Ärzt*in überwiesen werden.
  • 13
    In der Studie definiert als schmerzhafte Kontraktionen, die zu Veränderungen im Muttermund (Gebärmutterhals) führen. Der Muttermund ist zum Zeitpunkt der ersten Massagebehandlung durchschnittlich 1 cm oder mehr geöffnet.
  • 14
    Um sicherzustellen, dass Frauen die Möglichkeit haben, sich vor der Geburt über die Studie zu informieren, gab es Informationsbroschüren im Geburtsvorbereitungskurs im Krankenhaus und am Schalter, an dem Frauen Vorregistrierungspakete für Krankenhäuser erhielten. Bei der Einweisung in den Aufnahmebereich (Triage-Bereich) informierten die Krankenpfleger*innen geeignete Frauen über die Studie.
  • 15
  • 16
    Eine Doula ist eine Schwangerschafts-, Geburts- und Wochenbettbegleiterin, die sich vor, während und nach der Geburt eines Kindes um die Frau kümmert, den Partner unterstützt und beiden hilft, emotional mit der Situation zurechtzukommen. Sie übernehmen aber keine medizinischen Tätigkeiten und ersetzten weder eine Hebamme noch ärztliche Geburtshelfer.

Pages: 1 2