Newsletter 9 der Grünen Masseur*innen

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Liebe/r

willkommen bei der 9. Ausgabe des Newsletters der Grünen Masseur*innen!
(24. August 2019)

Information, vor allem rasche und vollständige Information, ist uns wichtig, auf unserer Website ebenso wie hier im Newsletter. Dafür stehen wir.
Denn Information ist die Grundlage für effektives Handeln. Das gilt sowohl für uns als Vertreter*innen in der Innung, als auch für alle beruflich Tätigen.
Es ist deshalb unser Anliegen, Euch (die Leser*innen des Newsletter, die Besucher*innen der Website) über Entwicklungen und Hintergründe zu informieren. Und unmittelbar darüber zu informieren, welche Ziele und Zielsetzungen wir in bestimmten Themenbereichen verfolgen, was wir für unsere Berufsgruppe erreichen wollen. Wofür wir uns einsetzen.

Eure Anregungen und Kommentare, die Information über Eure Anliegen und Sichtweisen benötigen wir dafür. Feedback, Diskussion und (sachliche) Kritik sind uns deshalb sehr willkommen. Im Blog auf der Website freuen wir uns auf Kommentare  … oder einfach ein Mail an eduard.tripp@gmail.com schicken.

Darüber hinaus nutzen wir den Newsletter, um komplexe Themen in ihrem größeren Zusammenhang darzustellen (aktuell der Umgang mit dem Paragraph 19, individuelle Befähigung) und damit – das wäre unser Wunsch – Diskussion und Nachdenken, hoffentlich sogar aktives Handeln anzuregen.

Die bisher schon erschienen Newsletter könnten im Newsletter-Archiv nachgelesen werden:

~ Was bedeutet das „neue“ Verständnis der Bundesinnung zur individuellen Befähigung (§ 19) gewerberechtlich?

Der Entscheidung der Bundesinnung folgend sollen Zuordnungen zu „neuen“ Techniken auf Basis der vorgefundenen Massagegriffe zu klassischer Massage, Fußreflexzonenmassage, Segmentmassage/Tiefenmassage, Bindegewebsmassage, Akupunktmassage und Lymphdrainage erfolgen (siehe Newsletter 7 vom 31. Mai).
  

Diese Entscheidung wirft viele Fragen auf, unter anderen, weil damit eine neue Sicht auf die in der Massage-Verordnung festgeschriebenen Behandlungsmethoden entsteht, die bislang vom Gesetzgeber nicht bestätigt ist: Weg von einer klar definierten Technik des Vollgewerbes Massage werden klassische Massage & Co zu einem Überbegriff für eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Methoden. Nuad, Rolfing, Ortho Bionomy (und andere) werden aus der Sicht der Bundesinnung „der Klassischen Massage zugeordnet“ und sollen künftig streng nach diesem Verständnis behandelt werden.
  
Um Nuad, Rolfing oder Ortho Bionomy ausüben zu dürfen, soll deshalb in Zukunft österreichweit ausschließlich die „übergeordnete“ (auf Basis angewandter Massagegriffe identifizierte) Technik nachgewiesen werden, also Ausbildung, Kenntnisse und Praxis der klassischen Massage. Die eigentlich angesuchte Methode (Nuad, Rolfing, Ortho Bionomy …) spielt dann keine Rolle mehr, sollte aber dann – geht es nach den Vorstellungen der Bundesinnung – mit dem auf klassische Massage eingeschränkten Gewerbeschein ausgeübt werden dürfen.
 
Gleichzeitig wirft es auch die Frage nach dem Verständnis der individuellen Befähigung auf, denn während das Vollgewerbe alle Teilbereiche umfasst (ausgenommen die ganzheitlich in sich geschlossenen Systeme), beschreiben eingeschränkte Gewerbeberechtigungen (bislang?) die konkrete Tätigkeit, also klassische Massage oder Nuad. Für die Zukunft würde das bedeuten, dass das auf klassische Massage eingeschränkte Gewerbe zu einer Vielzahl von Methoden (Nuad, Rolfing, Ortho Bionomy …) berechtigt.


Wenn wir an dieser Stelle die sehr fragliche, weil aus unserer Sicht inhaltlich nicht haltbare Zuordnung dieser Methoden „auf Basis vorgefundener Massagetechniken“ außer Acht lassen (sie ist schon in den früheren Newslettern immer wieder Thema gewesen), so ergibt sich, wie schon oben kurz ausgeführt, mit dieser Betrachtungsweise ein neues und fragliches Verständnis der individuellen Befähigung.

Das Gewerberecht besagt grundsätzlich, dass der*die Inhaber*in des Vollgewerbes alle Techniken und Teilbereiche „seines/ihres“ Gewerbes ausüben darf – es sei denn es gibt explizite Einschränkungen. Das bedeutet, auf die Massage bezogen, dass ein*e gewerbliche*r Masseur*in nach erfolgreichem Abschluss der Befähigungsprüfung alle unter Massage subsumierte Techniken ausüben (anbieten, bewerben …) darf – also auch Nuad, Rolfing und Ortho Bionomy. Im Sinne der Seriosität, die wir dem*der Masseur*in zugestehen, wird er*sie diese Tätigkeiten aber nur dann anwenden, wenn er*sie entsprechende Kenntnisse besitzt. Ausgenommen von dieser Regelung sind nur die ganzheitlich in sich geschlossenen Systeme (Shiatsu, Tuina, Ayurveda, Tibetische Massage), die nur dann ausgeübt werden dürfen (und das gilt auch für Inhaber*innen des Vollgewerbes), wenn die entsprechende Ausbildung/Berechtigung vorliegt.

Anders verhält es sich bei der individuellen Befähigung: Diese bezieht sich auf eine bestimmte Technik und ist auf diese eingeschränkt: also klassische Massage, Lymphdrainage, Nuad oder auch Ortho Bionomy. Das bedeutet (bislang) dass der*die Inhaber*in eines auf klassische Massage eingeschränkten Gewerbescheins klassische Massage ausüben darf, nicht aber Rolfing, Lymphdrainage, Nuad oder Ortho Bionomy (und auch keine andere Technik). Das gleiche gilt auch für Inhaber*innen eines auf Nuad eingeschränkten Gewerbescheins: auch diese dürfen nur Nuad anwenden und anbieten, keine anderen Techniken.

Die Vorgabe der Bundesinnung bringt nun allerdings eine völlig neue Sichtweise mit sich. Während sich klassische Massage bislang als eine definierte Technik beschreiben ließ, die im Rahmen der Befähigungsprüfung für das Vollgewerbe geprüft wird (und auf einer entsprechenden Ausbildung beruht), wird sie nunmehr als „Überbegriff“ für eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Methoden betrachtet.

Die individuelle Befähigung klassische Massage ermöglicht, geht es nach den Vorstellungen der Bundesinnung, die Ausübung von klassischer Massage ebenso wie die Ausübung von Nuad, von Rolfing, von Ortho Bionomy und von vielen anderen Techniken mehr.

Wenn jemand eine dieser Methoden gewerblich ausüben möchte, war es bisher üblich, einen z.B. auf Nuad eingeschränkten Massage-Gewerbeschein zu beantragen. Geht es nach den Vorstellungen der Bundesinnung, dann wird er*sie nunmehr angehalten seine*ihre Kenntnisse, Ausbildung und Praxis in klassischer Massage nachzuweisen. Er*sie erhält – kommt dieses Verfahren zu einem positiven Abschluss – einen auf klassische Massage eingeschränkten Gewerbeschein. Nuad spielt dabei keine Rolle, kann und darf es auch nicht, weil klassische Massage als solche definiert ist (und grundlegend von Nuad abweicht). Danach, so wird ihm*ihr allerdings in Aussicht gestellt, darf er*sie Nuad ausüben.

Klassische Massage (ähnliches gilt durchaus auch für die anderen Massagetechniken) ist damit im Verständnis der Bundesinnung von einer spezifischen, für die Befähigungsprüfung definierten Behandlungsmethode zu einem Überbegriff für vielerlei ganz unterschiedliche Methoden geworden. Und mit dem auf klassische Massage eingeschränkten Gewerbeschein kann künftig, folgt man diesen Gedankengang zu seinem Ende, eine Vielzahl von Massagetechniken ausgeübt werden, die mehr oder weniger viel mit klassischer Massage gemein haben.

Dieser Schritt wäre nachzuvollziehen, wenn bei den angeführten Methoden nur geringfügige Unterschiede zur klassischen Massage bestünden. Das ist aber keineswegs so. Im Gegenteil: Die beispielhaft angeführten Massagetechniken unterscheiden sich in Technik und Durchführung grundlegend von klassischer Massage (wie auch von allen anderen in der Massage-Verordnung angeführten Methoden).

So muss nun künftig jede*r, so will es der Beschluss der Bundesinnung, der Nuad, Rolfing oder Ortho Bionomy ausüben will, nicht nur diese Ausbildung erfolgreich durchlaufen und abschließen (eine Ausbildung, die stundenmäßig durchaus äquivalent der klassischen Massage ist, ja mitunter sogar deutlich umfangreicher als diese), sondern zusätzlich auch klassische Massage erlernen und praktizieren … aus unserer Sicht weder nachzuvollziehen noch zu befürworten.

Ob diese Auslegung der individuellen Befähigung (§ 19) im Sinne des Gesetzgebers ist, ist ungewiss, ja durchaus fraglich. Und ob diese Sichtweise von der Rechtsprechung geteilt wird, ebenso. Sicher aber ist, dass wir – unabhängig von den rechtlichen Bedenken – diese Sichtweise als nicht nachvollziehbar, inhaltlich falsch, nicht zukunftsorientiert und als eine gegen künftige Kolleg*innen mit anderen Behandlungskonzepten unfaire Vorgehensweise ablehnen.

~ Freiberufliche Massage-Kompetenz in der Physiotherapie

Wie die Recherchen zum 5. Newsletter (3. April) gezeigt haben, ist die Massageausbildung der Physiotherapeut*innen mit der Akademisierung und der Anbindung an die Fachhochschulen deutlich in den Hintergrund getreten. Während die Ausbildung zum*zur Heilmasseur*n mehr als 800 Stunden Grundausbildung in Massage aufweist, sind es in der Physiotherapieausbildung an zumindest manchen Fachhochschulen nur mehr wenig mehr als 50 Ausbildungsstunden – zudem auch noch ausschließlich in klassischer Massage und (in unterschiedlichem Ausmaß) Lymphdrainage. 
 
Wie aber wird die erforderliche Behandlungsqualität in der Massage gewahrt und ist diese auch weiterhin gegeben?

Gesetzliche Grundlage und Ausbildung

Grundsätzlich umfasst das Berufsbild der Physiotherapie, wie § 2 (1) des MTD-Gesetzes festhält, die Ausübung aller Arten von Heilmassage, Reflexzonentherapie und Lymphdrainage. In der FH-MTD-Ausbildungsverordnung werden die Kompetenzen eines*einer Physiotherpeut*in grundsätzlich aufgelistet, allerdings ohne Bezug zu den einzelnen Maßnahmen und Techniken und die inhaltliche Ausgestaltung der Ausbildung an den Fachhochschulen unterscheidet sich, wie der Vergleich zeigt.
 
An der FH Campus Wien findet sich, wie schon im April ausgeführt, explizit nur das Modul „Klassische Massage“ (2 ECTS-Punkte und damit ca. 50 Stunden) und wohl – bis zu einem gewissen Grad, also ein paar Ausbildungsstunden – auch noch Lymphdrainage in „Lymphologische Physiotherapie“ (2 ECTS-Punkte), unter „Behandlung ausgewählter Lymphknotenbereiche und ihrer Tributargebiete mittels KPE“, wobei allerdings anzumerken ist, dass das Wort Lymphdrainage in der Beschreibung dieser Lehreinheit nirgends zu finden ist.
 
An der FH Salzburg wiederum werden „Massagemethoden“ (2 ETCS-Punkte) und „Lymphdrainage“ mit 3 ECTS-Punkten (ca. 75 Stunden) angeboten, insgesamt also, deutlich mehr als in Wien, 125 theoretische und praktische Ausbildungsstunden.

Feststellung der Kompetenz

Auf Anfrage im Gesundheitsministerium, ob und wie die Qualifikation für Physiotherapeut*innen im Bereich Massage festgestellt und garantiert würde, wurde erklärt, dass

  • die Ausübung von Massagetechniken durch das MTD-Gesetz gedeckt ist,
  • es in der Verantwortung des*der Physiotherapeut*in liegt, nur diejenigen Methoden anzubieten und anzuwenden, für deren Anwendung sie über die notwendige Kompetenz verfügt, und
  • diese Kompetenzen mit dem Studienabschluss letztlich nicht vollständig, sondern nur exemplarisch (entsprechend dem Lehrplan) überprüft werden.

Das bedeutet – analog zu Ärzt*innen, die grundsätzlich alle Heilmethoden anwenden dürfen, bestimmte Methoden aber nur dann anwenden dürfen, wenn sie die entsprechende Ausbildung dazu haben, was aber nur in bestimmten Fällen durch ein Ärztekammerdiplom verbindlich geregelt ist –, dass ein*e Physiotherapeut*in nur dann eine (bestimmte) Massage durchführen sollte, wenn sie die dafür notwendigen Kenntnisse besitzt.
 
Segmentmassage, Bindegewebsmassage oder Fußreflexzonenmassage beispielsweise sind nicht Teil der physiotherapeutischen Standardausbildung in Wien. Entsprechend sollte ein*e Physiotherapeut*in nach seiner*ihrer Ausbildung in Wien eine solche Methode nicht anwenden oder anbieten bzw. nur dann, wenn sie sich entsprechend weitergebildet hat.

Mögliche problematische Auswirkungen

Problematisch wird dieser Umstand allerdings auf dem Hintergrund der Krankenkassenpolitik der SGKK in Salzburg, wo seit Anfang 2017 die Rückvergütung für Massage nur in Kombination mit einer Aktivbehandlung und nur bei einem*eine Physiotherapeut*in erfolgen kann (ausgenommen Lymphdrainage). Und insbesondere dann, wenn diese Vorgehensweise auch in anderen Bundesländern, bei anderen Krankenkassen oder gar österreichweit umgesetzt werden sollte.
 
Grundsätzlich gilt dabei, dass die Ausbildung zur Physiotherapie und Vertragsabschlüsse der Krankenkassen keinen direkten Zusammenhang haben. Ob und mit wem Krankenkassen einen Vertrag abschließen, hängt – vereinfacht ausgedrückt – einzig von der Krankenkasse ab, unterliegt ausschließlich ihrer Verantwortung. In Salzburg war die wissenschaftliche Evidenz der Nachhaltigkeit von Aktivbehandlungen (im Vergleich zur alleinigen Massagebehandlung) die Begründung. Ob die Evidenz wirklich so eindeutig für den unbedingten Einsatz von Aktivtherapie in jedem Fall spricht, darüber ließe sich diskutieren, die Massagekompetenzen aber waren in den Verhandlungen sicherlich kein explizites Thema, da diese per MTD-Gesetz ja rechtlich (auch) in den Bereich der Physiotherapie fallen.
 
Gibt es in Zukunft aber zunehmend mehr Physiotherapeut*innen, die nur wenig Massageausbildung und entsprechend wohl auch -erfahrung haben, stellt sich nicht nur die Frage, ob der*die Physiotherapeut*in die vielleicht zielführende Massagetechnik entsprechend gelernt hat, um sie (korrekt und umsichtig) anzuwenden, sondern auch, ob sie überhaupt hinlänglich Erfahrung hat, den Einsatz und die Wirksamkeit von Massage generell und die von bestimmten Massagetechniken in einer spezifischen Situation realistisch (und über allgemeine Studienergebnisse hinaus) zu beurteilen. 


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