Foster, Nadine E. et al.: Prevention and treatment of low back pain: evidence, challenges, and promising directions

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Eine offensichtliche Folge der übermäßigen Nutzung von unnötigen und letztlich unwirksamen Anwendungen ist die Verschwendung von Ressourcen im Gesundheitswesen. Darüber hinaus ergeben sich aber auch Implikationen für die PatientInnen, die von Strahlenbelastungen bei der Bildgebung bis hin zum Risiko von unerwünschten Ergebnissen und (vermeidbarer) Abwesenheit von der Arbeit reichen.

Selbst in Ländern mit hohem Einkommen kann der Zugang zu best practice-Verfahren durch eingeschränkte Verfügbarkeit (z.B. in ländlichen und abgelegenen Regionen), Zahlungsmodelle (z.B. Abdeckung von Medikamenten und Operationen durch die Gesundheitssysteme, aber nicht von Physiotherapie und/oder psychologischen Behandlungen) und die Unsicherheit der Patient*innen, wann und wo sie sich behandeln lassen sollten, eingeschränkt sein.1Edwards J, Hayden J, Asbridge M, Gregoire B, Magee K: Prevalence of low back pain in emergency settings: a systematic review and meta-analysis. BMC Musculoskelet Disord 2017; 18: 143.

Viele Länder mit hohem Einkommen, wie Australien und Kanada, haben eine kulturell vielfältige Bevölkerung mit einer einheimischen Bevölkerung und einer großen Migrantenpopulation. Die vom Leitfaden empfohlenen Behandlungen stellen in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen eine Herausforderung dar. So könnte z.B. die Durchführung einer kognitiven Verhaltenstherapie oder eine auf Achtsamkeit basierende Stressreduktion schwierig sein, wenn der*die Therapeut*in nicht die gleiche Sprache wie der*die Patient*in spricht oder die Vorstellungen von Rückenschmerzen in den verschiedenen Kulturkreisen nicht zu schätzen weiß.

Für Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen gibt es zwar viel weniger veröffentlichte Erkenntnisse über die aktuelle Praxis bei Rückenschmerzen, doch zeigen die verfügbaren Daten, dass auch in diesen Ländern Unterschiede zwischen Evidenz und Praxis bestehen. So ist es beispielsweise in Kambodscha, Brasilien, und Argentinien nicht ungewöhnlich, dass Menschen mit Rückenschmerzen in die Notaufnahme gehen und dann mehrere Tage im Krankenhaus bleiben.

Der Mangel an Vergleichsdaten macht die Gegenüberstellung von Ländern mit hohen Einkommen, niedrigen Einkommen und mittleren Einkommen schwierig, doch deuten die vorliegenden Daten auf einen stärkeren Einsatz von Ruheberatung und passiven elektrischen Modalitäten in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen.

Die angeführten Informationen zeigen, dass viele der Fehler von Ländern mit hohen Einkommen in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen bereits gut etabliert sind. Es sind deshalb, so die Autor*innen, dringend Initiativen erforderlich, die sowohl die geringwertige Gesundheitsversorgung bei Rückenschmerzen reduzieren als auch den Angehörigen der Gesundheitsberufe, Patient*innen und politischen Entscheidungsträgern helfen, Entscheidungen im Einklang mit den besten verfügbaren Erkenntnissen zu treffen.

Umsetzung der „best available evidence“2Umsetzung der besten verfügbaren Erkenntnisse.

Es zeigt sich, dass Leitlinien ohne wirksame Strategien zur Umsetzung der Empfehlungen wenig oder gar keinen Einfluss auf die klinische Praxis haben. Umsetzungsstrategien müssen dazu auf die Überwindung spezifischer Veränderungsbarrieren zugeschnitten sein und betreffen Bildung und Ausbildung, soziale Interaktion, Unterstützungssysteme für klinische Entscheidungen und „gezielte Erinnerungen“. Einige der wichtigsten Herausforderungen bei der Umsetzung von Best Practices für untere Rückenschmerzen sind bekannt: kurze Beratungszeiten, schlechte Kenntnisse und falsche Vorstellungen von klinischen Leitlinien, Angst vor Rechtsstreitigkeiten im Falle übersehener, seltener und ernster Pathologie und der Wunsch, „harmonische Beziehungen“ zu PatientInnen aufrechtzuerhalten.3Slade SC, Kent P, Patel S, Bucknall T, Buchbinder R: Barriers to primary care clinician adherence to clinical guidelines for the management of low back pain: a systematic review and meta-synthesis of qualitative studies. Clin J Pain 2015; 32: 800-16.

Es sind, so die Autor*innen, wohl auch harte politische Entscheidungen erforderlich, die den nicht hilfreichen Einfluss der Industrie verringern und die Kosten für Pflege von geringem Wert reduzieren oder beseitigen. Eine verbesserte und besser integrierte Ausbildung von Angehörigen der Gesundheitsberufe könnte die Umsetzung bewährter Praktiken bei Rückenschmerzen unterstützen, dazu beitragen, berufliche Barrieren abzubauen, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln und neue und innovative Strategien für die Praxis zu entwickeln.4Myburgh C, Mouton J: The development of contemporary chiropractic education in Denmark: an exploratory study. J Manipulative Physiol Ther 2008; 31: 583-92.
Beispiele für eine solche Unterstützung sind die integrierte Ausbildung von Ärzt*innen mit Chiropraktiker*innen in Dänemark, die von den National Institutes of Health in den USA finanzierten Centers for Excellence in Pain Education, die E-Learning-Module mit Schwerpunkt auf Interaktivität, Expertenmodellierung und Feedback beinhalten, und die, so die Autor*innen der Studie, vielversprechenden Ergebnisse eines Trainingskurses mit schwedischen Physiotherapeut*innen, der darauf abzielt, psychosoziale Hindernisse bei Patient*innen mit Rückenschmerzen zu identifizieren und anzugehen (Overmeer T, Boersma K, Main CJ, Linton SJ: Do physical therapists change their beliefs, attitudes, knowledge, skills and behaviour after a biopsychosocially orientated university course? J Eval Clin Pract 2009; 15: 724-32).

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Edwards J, Hayden J, Asbridge M, Gregoire B, Magee K: Prevalence of low back pain in emergency settings: a systematic review and meta-analysis. BMC Musculoskelet Disord 2017; 18: 143.
  • 2
    Umsetzung der besten verfügbaren Erkenntnisse.
  • 3
    Slade SC, Kent P, Patel S, Bucknall T, Buchbinder R: Barriers to primary care clinician adherence to clinical guidelines for the management of low back pain: a systematic review and meta-synthesis of qualitative studies. Clin J Pain 2015; 32: 800-16.
  • 4
    Myburgh C, Mouton J: The development of contemporary chiropractic education in Denmark: an exploratory study. J Manipulative Physiol Ther 2008; 31: 583-92.
    Beispiele für eine solche Unterstützung sind die integrierte Ausbildung von Ärzt*innen mit Chiropraktiker*innen in Dänemark, die von den National Institutes of Health in den USA finanzierten Centers for Excellence in Pain Education, die E-Learning-Module mit Schwerpunkt auf Interaktivität, Expertenmodellierung und Feedback beinhalten, und die, so die Autor*innen der Studie, vielversprechenden Ergebnisse eines Trainingskurses mit schwedischen Physiotherapeut*innen, der darauf abzielt, psychosoziale Hindernisse bei Patient*innen mit Rückenschmerzen zu identifizieren und anzugehen (Overmeer T, Boersma K, Main CJ, Linton SJ: Do physical therapists change their beliefs, attitudes, knowledge, skills and behaviour after a biopsychosocially orientated university course? J Eval Clin Pract 2009; 15: 724-32).

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