Foster, Nadine E. et al.: Prevention and treatment of low back pain: evidence, challenges, and promising directions

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Pharmakologische Behandlung

Die Leitlinien empfehlen eine pharmakologische Behandlung generell nur noch nach einer unzureichenden Reaktion auf eine nichtmedikamentöse Erstbehandlung.1Paracetamol war früher die empfohlene Erstlinienmedizin für Schmerzen im unteren Rückenbereich. Wegen des fehlenden Nachweises der Wirksamkeit und des möglichen Schadenspotenzials spricht man sich heute gegen den Einsatz dieses Medikaments aus. Empfohlen werden in diesem Fall orale nicht-steroidale entzündungshemmende Medikamente (NSAIDs). Berücksichtigt werden sollen dabei aber die damit verbundenen Risiken, einschließlich der Magen-Darm-, Leber- und Herz-Kreislauf-Toxizität. Bei ihrer Verwendung soll die niedrigste effektive Dosis für die kürzestmögliche Zeit verordnet werden.

Die routinemäßige Anwendung von Opioiden wird nicht empfohlen, da der Nutzen gering und die Risiken erheblich sind (einschließlich Überdosierung und Suchtpotenzial sowie schlechtere Langzeitresultate als ohne Anwendung). Die Leitlinien empfehlen eine Opioidtherapie nur bei sorgfältig ausgewählten Patienten für eine kurze Dauer und mit entsprechender Überwachung. Für den kurzfristigen Gebrauch werden aktuell generell Muskelrelaxantien empfohlen.2Eine weitere weitere Überprüfung der Gabe von Muskelrelaxantien wird jedoch empfohlen. Die Rolle von Gabaergika, wie z.B. Pregabalin, wird aktuell überdacht, nachdem eine Studie 2017 (Mathieson S, Maher CG, McLachlan AJ, et al.: Trial of pregabalin for acute and chronic sciatica. N Engl J Med 2017; 376: 111120) gezeigt hat, dass Pregabalin bei radikulären Schmerzen unwirksam ist.

Interventionelle Therapien und Operationen

Die Rolle von interventionellen Therapien3Als interventionell bezeichnet man Diagnose- oder Therapieverfahren, die – im Gegensatz zum konservativen Vorgehen –gezielte Eingriffe (Interventionen) am erkrankten Gewebe bzw. Organ vornehmen, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. und Operationen ist begrenzt und die Empfehlungen in den klinischen Leitlinien variieren.4Generell ist anzumerken, dass sich alle Leitlinien primär auf Daten von erwachsenen Patient*innen stützen. Für Kinder fanden sich 2014 nur insgesamt vier Studien, so dass große Unklarheit über die Behandlung dieser Patient*innengruppe besteht. Aktuelle Leitlinien empfehlen keine epiduralen Injektionen oder Facettengelenksinjektionen bei Schmerzen im unteren Rückenbereich, empfehlen aber die Berücksichtigung von epiduralen Injektionen von Lokalanästhetika und Steroiden bei starken radikulären Schmerzen.5UK National Institute for Health and Care Excellence: Low back pain and sciatica in over 16s: assessment and management. November 2016. https://www.nice.org.uk/guidance/ng59 (accessed Nov 7, 2017). Epidurale Injektionen scheinen bei geringfügigen, kurz andauernden (weniger als vier Wochen) Beschwerden mit einer Schmerzreduktion verbunden zu sein, zeigen aber langfristig keine Evidenz und verringern nicht das Risiko einer Operation. Zudem gibt es Zusammenhänge mit seltenen, aber schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Sehverlust, Schlaganfall, Lähmung oder Tod.6US Food and Drug Administration. Drug safety communication: FDA requires label changes to warn of rare but serious neurologic problems after epidural corticosteroid injections for pain. 2014. https://www.fda.gov/downloads/Drugs/DrugSafety/UCM394286.pdf (accessed Nov 7, 2017).
Die britische Richtlinie (UK National Institute for Health and Care Excellence. Low back pain and sciatica in over 16s: assessment and management. November 2016. https://www.nice.org.uk/guidance/ng59, accessed Nov 7, 2017) schlägt vor, bei chronischen unteren Rückenschmerzen, die auf nicht-chirurgische Behandlungen nicht ansprechen, die Radiofrequenzdenervierung in Betracht zu ziehen. Die später veröffentlichten MINT-Studien (Juch JNS, Maas ET, Ostelo R, et al.: Effect of radiofrequency denervation on pain intensity among patients with chronic low back pain: the Mint randomized clinical trials. JAMA 2017; 318: 68-81) stellen diese Empfehlung jedoch in Frage.

Die Ergebnisse der Wirbelsäulenfusionschirurgie7Die Wirbelsäulenfusion ist die Versteifung von einzelnen Wirbeln bei Instabilitäten, die auf drei Arten erfolgen kann: Fusion des Bandscheibenraums (interkorporelle Spondylodese), Fusion der hinteren und seitlichen Wirbelelemente (posterolaterale Spondylodese) oder Fusion des Bandscheibenraumes und der hinteren und seitlichen Wirbelelemente (360 Grad Spondylodese). bei nicht-radikulären Lendenwirbelsäulenschmerzen, von denen man annimmt, dass sie von degenerierten Bandscheiben ausgehen8Discogene Beschwerden., ähneln denen der intensiven multidisziplinären Rehabilitation und sind nur geringfügig größer als bei der herkömmlichen, nicht-chirurgischen Behandlung.9Chou R, Baisden J, Carragee EJ, Resnick DK, Shaffer WO, Loeser JD: Surgery for low back pain: a review of the evidence for an American Pain Society clinical practice guideline. Spine 2009; 34: 1094-109. Darüber hinaus ist die chirurgische Behandlung teurer und birgt zudem ein größeres Risiko von Nebenwirkungen als die nicht-chirurgische Behandlung. Die britischen Richtlinien empfehlen, dass Patient*innen kein Bandscheibenersatz oder eine Wirbelsäulenfusionsoperation bei Schmerzen im unteren Rückenbereich angeboten wird.

Patient*innen mit schweren oder progressiven neurologischen Defiziten allerdings benötigen eine chirurgische Behandlung.10Deyo RA, Mirza SK: Herniated lumbar intervertebral disk. N Engl J Med 2016; 374: 1763-72. Eine Wirbelsäulen-Dekompressionsoperation11Das Ziel einer Dekompressionsoperation ist die Erweiterung des Spinalkanales. kann bei radikulären Schmerzen in Betracht gezogen werden, wenn nicht-operative Behandlungen erfolglos geblieben sind und klinische und bildgebende Befunde auf einen Zusammenhang der Symptome mit Bandscheibenvorfällen12Bei einem Bandscheibenvorfall, so zeigt die Studie von Deyo et al. (Deyo RA, Mirza SK: Herniated lumbar intervertebral disk. N Engl J Med 2016; 374: 1763-72), ist eine frühzeitige Operation mit einer schnelleren Linderung der Radikulopathie verbunden (im Vergleich zu einer konservativen Erstbehandlung und einer späteren Operation. Nach einem Jahr (und länger) allerdings verringert sich der positive Effekt. oder Spinalkanalstenosen hindeuten.

Bei Symptomen, die mit einer lumbalen Spinalkanalstenose einhergehen, sind die Vorteile einer Operation gegenüber einer konservativen Behandlung unklar. Es zeigen sich Verbesserungen mit oder ohne Operation, weshalb die nicht-operative Behandlung die bessere Option für Patient*innen ist, insbesondere solche, die eine Operation aufschieben oder gänzlich vermeiden wollen.13Weinstein JN, Tosteson TD, Lurie JD, et al.: Surgical versus nonoperative treatment for lumbar spinal stenosis four-year results of the Spine Patient Outcomes Research Trial. Spine 2010; 35: 1329-38.

Generell ist anzumerken, dass die meisten Studien aus Ländern mit hohen Einkommen stammen, weshalb nicht feststeht, ob die aus den bisher vorliegenden Studien abgeleiteten Empfehlungen auch für Länder mit mittleren und niedrigen Einkommen gelten. Faktoren wie die kulturelle Akzeptanz von Behandlungen, die Einstellung der Patient*innen zu den Behandlungen und deren Anbieter sowie der Zugang zu und die Einhaltung von Behandlungen können in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich sein und die Behandlungsergebnisse beeinflussen.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Paracetamol war früher die empfohlene Erstlinienmedizin für Schmerzen im unteren Rückenbereich. Wegen des fehlenden Nachweises der Wirksamkeit und des möglichen Schadenspotenzials spricht man sich heute gegen den Einsatz dieses Medikaments aus.
  • 2
    Eine weitere weitere Überprüfung der Gabe von Muskelrelaxantien wird jedoch empfohlen. Die Rolle von Gabaergika, wie z.B. Pregabalin, wird aktuell überdacht, nachdem eine Studie 2017 (Mathieson S, Maher CG, McLachlan AJ, et al.: Trial of pregabalin for acute and chronic sciatica. N Engl J Med 2017; 376: 111120) gezeigt hat, dass Pregabalin bei radikulären Schmerzen unwirksam ist.
  • 3
    Als interventionell bezeichnet man Diagnose- oder Therapieverfahren, die – im Gegensatz zum konservativen Vorgehen –gezielte Eingriffe (Interventionen) am erkrankten Gewebe bzw. Organ vornehmen, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen.
  • 4
    Generell ist anzumerken, dass sich alle Leitlinien primär auf Daten von erwachsenen Patient*innen stützen. Für Kinder fanden sich 2014 nur insgesamt vier Studien, so dass große Unklarheit über die Behandlung dieser Patient*innengruppe besteht.
  • 5
    UK National Institute for Health and Care Excellence: Low back pain and sciatica in over 16s: assessment and management. November 2016. https://www.nice.org.uk/guidance/ng59 (accessed Nov 7, 2017).
  • 6
    US Food and Drug Administration. Drug safety communication: FDA requires label changes to warn of rare but serious neurologic problems after epidural corticosteroid injections for pain. 2014. https://www.fda.gov/downloads/Drugs/DrugSafety/UCM394286.pdf (accessed Nov 7, 2017).
    Die britische Richtlinie (UK National Institute for Health and Care Excellence. Low back pain and sciatica in over 16s: assessment and management. November 2016. https://www.nice.org.uk/guidance/ng59, accessed Nov 7, 2017) schlägt vor, bei chronischen unteren Rückenschmerzen, die auf nicht-chirurgische Behandlungen nicht ansprechen, die Radiofrequenzdenervierung in Betracht zu ziehen. Die später veröffentlichten MINT-Studien (Juch JNS, Maas ET, Ostelo R, et al.: Effect of radiofrequency denervation on pain intensity among patients with chronic low back pain: the Mint randomized clinical trials. JAMA 2017; 318: 68-81) stellen diese Empfehlung jedoch in Frage.
  • 7
    Die Wirbelsäulenfusion ist die Versteifung von einzelnen Wirbeln bei Instabilitäten, die auf drei Arten erfolgen kann: Fusion des Bandscheibenraums (interkorporelle Spondylodese), Fusion der hinteren und seitlichen Wirbelelemente (posterolaterale Spondylodese) oder Fusion des Bandscheibenraumes und der hinteren und seitlichen Wirbelelemente (360 Grad Spondylodese).
  • 8
    Discogene Beschwerden.
  • 9
    Chou R, Baisden J, Carragee EJ, Resnick DK, Shaffer WO, Loeser JD: Surgery for low back pain: a review of the evidence for an American Pain Society clinical practice guideline. Spine 2009; 34: 1094-109.
  • 10
    Deyo RA, Mirza SK: Herniated lumbar intervertebral disk. N Engl J Med 2016; 374: 1763-72.
  • 11
    Das Ziel einer Dekompressionsoperation ist die Erweiterung des Spinalkanales.
  • 12
    Bei einem Bandscheibenvorfall, so zeigt die Studie von Deyo et al. (Deyo RA, Mirza SK: Herniated lumbar intervertebral disk. N Engl J Med 2016; 374: 1763-72), ist eine frühzeitige Operation mit einer schnelleren Linderung der Radikulopathie verbunden (im Vergleich zu einer konservativen Erstbehandlung und einer späteren Operation. Nach einem Jahr (und länger) allerdings verringert sich der positive Effekt.
  • 13
    Weinstein JN, Tosteson TD, Lurie JD, et al.: Surgical versus nonoperative treatment for lumbar spinal stenosis four-year results of the Spine Patient Outcomes Research Trial. Spine 2010; 35: 1329-38.

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