O’Keefe, Mary: Non-pharmacological treatment of low back pain in primary care

Massage

Schmerzen im unteren Rücken1Auch: Kreuzschmerzen, low back pain, LBP. sind, so Mary O’Keefe2School of Public Health, Faculty of Medicine and Health, University of Sydney und  Institute for Musculoskeletal Health, Sydney, New South Wales, Australia. in ihrem 2019 online veröffentlichten Review „Non-pharmacological treatment of low back pain in primary care“3Mary O’Keeffe: Non-pharmacological treatment of low back pain in primary care. In: Drug and Therapeutics Bulletin Published Online First: 24 May 2019. Doi: 10.1136/dtb.2018.000015, https://dtb.bmj.com/content/early/2019/05/24/dtb.2018.000015. Zugriff: 21.6.2019. , mit erheblichen persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Belastungen verbunden und die Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit.4Hartvigsen J, Hancock MJ, Kongsted A, et al.: What low back pain is and why we need to pay attention. The Lancet 2018;391:2356–67.
Buchbinder R, van Tulder M, Öberg B, et al.: Low back pain: a call for action. The Lancet 2018;391:2384–8.
Maher C, Underwood M, Buchbinder R.: non-specific low back pain. The Lancet 2017;389:736–4

In der Mehrzahl sind die Ursachen für die Beschwerden unklar, weshalb man in diesen Fällen von unspezifischen unteren Rückenschmerzen spricht. Um die Diagnose eines unspezifischen LBP zu stellen, werden (wie die Autorin mit Bezug auf Bardin et al.5Bardin LD, King P, Maher CG: Diagnostic triage for low back pain: a practical approach for primary care. Med J Aust 2017;206:268–73. ausführt) zuvor bestimmte Wirbelsäulenpathologien ausgeschlossen (z.B. intraspinale Abszesse6Eitrige Entzündungen des Rückenmarks., Infektionen, Spondylarthropathie, maligne Erkrankungen, Cauda-equina-Syndrom7Auch Cauda-equina-Kompressions-Syndrom: eine Kombination mehrerer neurologischer Ausfallsstörungen, die auf einer massiven Quetschung der Cauda equina (Ansammlung intradural, d.h. innerhalb der harten Hirnhaut, verlaufender Spinalnervenwurzeln am Ende des Rückenmarks) beruhen., Wirbelbrüche), radikuläre Syndrome (z.B. radikuläre Schmerzen mit Beteiligung der Nervenwurzel, Radikulopathie8Chronische oder akute Reizung oder Schädigung einer Nervenwurzel mit dadurch ausgelösten Empfindungsstörungen, Schmerzen und/oder Lähmungen.) und nicht-spinale Ursachen (z.B. Hüftpathologien, referenzierte Viszeralschmerzen9Von den Bauchorganen ausstrahlende Schmerzen., virale und Gefäßerkrankungen).

Die Behandlung von unspezifischen unteren Rückenschmerzen konzentriert sich üblicherweise auf die Verringerung der Schmerzen und der damit verbundenen Behinderungen, wobei der zunehmende Einsatz von unwirksamen und oft schädlichen Behandlungen mit Opioiden oder Operationen eine große Herausforderung für das sichere und angemessene (auch kostengünstige) Management darstellt.10Buchbinder R, van Tulder M, Öberg B, et al.: Low back pain: a call for action. The Lancet 2018;391:2384–8.
Foster NE, Anema JR, Cherkin D, et al.: Prevention and treatment of low back pain: evidence, challenges, and promising directions. The Lancet 2018;391:2368–83.
 Aus diesem Grund wird heute in klinischen Guidelines mehr Wert auf nicht-pharmakologische Behandlungen gelegt.11Traeger A, Buchbinder R, Harris I, et al.: Diagnosis and management of low-back pain in primary care. CMAJ 2017;189:E1386–95.
Almeida M, Saragiotto B, Richards B, et al.: Primary care management of non-specific low back pain: key messages from recent clinical guidelines. Med J Aust 2018;208:272–5.

In der vorliegenden Arbeit bezieht sich die Autorin auf klinische Praxisleitlinien (Guidelines) aus den USA, Großbritannien und Dänemark12Qaseem A, Wilt TJ, McLean RM, et al.: Noninvasive treatments for acute, subacute, and chronic low back pain: a clinical practice guideline from the American College of physicians. Ann Intern Med 2017;166:514–30.National Institute for Health and Care Excellence: Low back pain and sciatica in over 16s: assessment and management (NG59) [online]. 2016. https://www.nice.org.uk/guidance/ng59. Zugriff: 21.6.2019.
Stochkendahl MJ, Kjaer P, Hartvigsen J, et al.: National clinical guidelines for non-surgical treatment of patients with recent onset low back pain or lumbar radiculopathy. Eur Spine J 2018;27:60–75.
, in denen eine Reihe von nicht-pharmakologischen Behandlungsmethoden (allein und/oder in Kombination) in Betracht gezogen bzw. befürwortet wird, wie Beruhigung und Beratung, Übungen, Massage, Akupunktur, Chiropraktik, Tai Chi und Yoga. Dabei unterscheidet sie primäre und sekundäre (ergänzende) Maßnahmen sowie zu vermeidende Behandlungen.

Primäre Maßnahmen

  • Beruhigung und Beratung zur Selbsthilfe: Da sich die Symptome von unspezifischen unteren Rückenschmerzen mit der Zeit häufig ganz von selbst verbessern, empfehlen alle drei Leitlinien in erster Linie Beruhigung des*der Patient*in und Beratung. Die Beruhigung sollte sich vor allem auf den selbstbegrenzenden und nicht lebensbedrohlichen Charakter der Beschwerden konzentrieren und die Betroffenen vor allem – trotz ihrer Schmerzen – dazu ermuntern, aktiv zu bleiben, Bettruhe zu vermeiden13Das ist insbesondere deshalb wichtig, weil Bettruhe früher als wesentlichste Behandlung für untere Rückenschmerzen betrachtet (und empfohlen) wurde. und ihre üblichen Aktivitäten (einschließlich Berufstätigkeit, soweit möglich) aufrechtzuerhalten.

Desweiteren sei der Krankheitsverlauf klar darzustellen, denn während die weit verbreitete Ansicht besteht, dass unspezifische untere Rückenschmerzen meist innerhalb von 4 bis 6 Wochen vollständig vergehen, zeigt die Forschung, dass zwar 33 % der Betroffenen innerhalb von 3 Wochen beschwerdefrei werden, 65 % aber auch nach 12 Monaten noch über (zumindest gelegentliche) Schmerzen klagen.14LdCM C, Maher CG, Hancock MJ, et al.: The prognosis of acute and persistent low-back pain: a meta-analysis. CMAJ 2012;184:E613–E24.
Itz CJ, Geurts JW, van Kleef M, et al.: Clinical course of non-specific low back pain: a systematic review of prospective cohort studies set in primary care. Eur J Pain 2013;17:5–15.
 Dieser unterschiedliche Verlauf sollte Betroffenen mitgeteilt werden, damit sie nicht in Panik geraten, wenn sie beispielsweise nach sechs Wochen immer noch Rückenschmerzen haben.  Weiters ist zu beachten, dass etwa ein Drittel aller Betroffenen innerhalb eines Jahres nach der Genesung ein Rezidiv, einen „Rückfall“, haben.15Stanton TR, Henschke N, Maher CG, et al.: After an episode of acute low back pain, recurrence is unpredictable and not as common as previously thought. Spine 2008;33:2923–8. Auch das, so wird empfohlen, sollte den Patient*innen mitgeteilt werden, um sie auf diese Möglichkeit vorzubereiten.16Entsprechend werden untere Rückenschmerzen heute als eine für viele Menschen lang anhaltende Erkrankung mit variablen Verlauf betrachtet – und weniger als einzelne, unzusammenhängende Episoden.
Da viele Patient*innen bildgebende Verfahren erwarten und befürchten, dass eine schwere Schädigung vorliegt, obliegt es der ÄrztIn, die Sorgen der Patient*innen anzuhören und zu erklären, warum Bildgebung nicht notwendig ist und nicht zu besseren Behandlungsergebnissen führt. Dazu gehört auch, dass (bildgebende) Befunde, wie eine Bandscheibendegeneration, bei Menschen mit und ohne Schmerzen häufig sind.
Darüber hinaus gibt es weitere Mythen, die ausgeräumt werden sollten, wie z.B. dass Gesundheit bedeutet, dass man niemals Schmerzen hat, dass Schmerz ein genauer Indikator für vorliegende Gewebeschäden ist oder dass die Wirbelsäule besonders anfällig für Belastungen wäre und nur langsam heile.

Es gibt, so eine Review von Traeger et al.17Traeger AC, Hübscher M, Henschke N, et al.: Effect of primary care-based education on reassurance in patients with acute low back pain: systematic review and meta-analysis. JAMA inter med 2015;175:733–43.
Die Autorin merkt dazu noch an, dass eine möglicherweise nur fünf Minuten dauernde Beratung das Potential hat, Patient*innen bis zu zwölf Monate lang Vorteile zu bringen. Dabei ist die Fähigkeit, zuzuhören und eine vertrauensvolle Beziehung zum*zur Patient*in aufzubauen, von großer Bedeutung. Eine Evidenzbasis darüber, wie diese Informationen vermittelt werden sollten (Format, Zeitpunkt, Inhalt, PatientInneneinbeziehung…), liegt bislang allerdings nicht vor.
, starke Hinweise darauf, dass Aufklärung bei Patient*innen mit akuten und subakuten unteren Rückenschmerzen schmerzbedingte Beschwerden zu reduzieren vermag und die Inanspruchnahme von Ärzt*innen und Gesundheitszentren verringert (und damit auch die Kosten für das Gesundheitssystem).

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Auch: Kreuzschmerzen, low back pain, LBP.
  • 2
    School of Public Health, Faculty of Medicine and Health, University of Sydney und  Institute for Musculoskeletal Health, Sydney, New South Wales, Australia.
  • 3
    Mary O’Keeffe: Non-pharmacological treatment of low back pain in primary care. In: Drug and Therapeutics Bulletin Published Online First: 24 May 2019. Doi: 10.1136/dtb.2018.000015, https://dtb.bmj.com/content/early/2019/05/24/dtb.2018.000015. Zugriff: 21.6.2019. 
  • 4
    Hartvigsen J, Hancock MJ, Kongsted A, et al.: What low back pain is and why we need to pay attention. The Lancet 2018;391:2356–67.
    Buchbinder R, van Tulder M, Öberg B, et al.: Low back pain: a call for action. The Lancet 2018;391:2384–8.
    Maher C, Underwood M, Buchbinder R.: non-specific low back pain. The Lancet 2017;389:736–4
  • 5
    Bardin LD, King P, Maher CG: Diagnostic triage for low back pain: a practical approach for primary care. Med J Aust 2017;206:268–73.
  • 6
    Eitrige Entzündungen des Rückenmarks.
  • 7
    Auch Cauda-equina-Kompressions-Syndrom: eine Kombination mehrerer neurologischer Ausfallsstörungen, die auf einer massiven Quetschung der Cauda equina (Ansammlung intradural, d.h. innerhalb der harten Hirnhaut, verlaufender Spinalnervenwurzeln am Ende des Rückenmarks) beruhen.
  • 8
    Chronische oder akute Reizung oder Schädigung einer Nervenwurzel mit dadurch ausgelösten Empfindungsstörungen, Schmerzen und/oder Lähmungen.
  • 9
    Von den Bauchorganen ausstrahlende Schmerzen.
  • 10
    Buchbinder R, van Tulder M, Öberg B, et al.: Low back pain: a call for action. The Lancet 2018;391:2384–8.
    Foster NE, Anema JR, Cherkin D, et al.: Prevention and treatment of low back pain: evidence, challenges, and promising directions. The Lancet 2018;391:2368–83.
  • 11
    Traeger A, Buchbinder R, Harris I, et al.: Diagnosis and management of low-back pain in primary care. CMAJ 2017;189:E1386–95.
    Almeida M, Saragiotto B, Richards B, et al.: Primary care management of non-specific low back pain: key messages from recent clinical guidelines. Med J Aust 2018;208:272–5.
  • 12
    Qaseem A, Wilt TJ, McLean RM, et al.: Noninvasive treatments for acute, subacute, and chronic low back pain: a clinical practice guideline from the American College of physicians. Ann Intern Med 2017;166:514–30.National Institute for Health and Care Excellence: Low back pain and sciatica in over 16s: assessment and management (NG59) [online]. 2016. https://www.nice.org.uk/guidance/ng59. Zugriff: 21.6.2019.
    Stochkendahl MJ, Kjaer P, Hartvigsen J, et al.: National clinical guidelines for non-surgical treatment of patients with recent onset low back pain or lumbar radiculopathy. Eur Spine J 2018;27:60–75.
  • 13
    Das ist insbesondere deshalb wichtig, weil Bettruhe früher als wesentlichste Behandlung für untere Rückenschmerzen betrachtet (und empfohlen) wurde.
  • 14
    LdCM C, Maher CG, Hancock MJ, et al.: The prognosis of acute and persistent low-back pain: a meta-analysis. CMAJ 2012;184:E613–E24.
    Itz CJ, Geurts JW, van Kleef M, et al.: Clinical course of non-specific low back pain: a systematic review of prospective cohort studies set in primary care. Eur J Pain 2013;17:5–15.
  • 15
    Stanton TR, Henschke N, Maher CG, et al.: After an episode of acute low back pain, recurrence is unpredictable and not as common as previously thought. Spine 2008;33:2923–8.
  • 16
    Entsprechend werden untere Rückenschmerzen heute als eine für viele Menschen lang anhaltende Erkrankung mit variablen Verlauf betrachtet – und weniger als einzelne, unzusammenhängende Episoden.
    Da viele Patient*innen bildgebende Verfahren erwarten und befürchten, dass eine schwere Schädigung vorliegt, obliegt es der ÄrztIn, die Sorgen der Patient*innen anzuhören und zu erklären, warum Bildgebung nicht notwendig ist und nicht zu besseren Behandlungsergebnissen führt. Dazu gehört auch, dass (bildgebende) Befunde, wie eine Bandscheibendegeneration, bei Menschen mit und ohne Schmerzen häufig sind.
    Darüber hinaus gibt es weitere Mythen, die ausgeräumt werden sollten, wie z.B. dass Gesundheit bedeutet, dass man niemals Schmerzen hat, dass Schmerz ein genauer Indikator für vorliegende Gewebeschäden ist oder dass die Wirbelsäule besonders anfällig für Belastungen wäre und nur langsam heile.
  • 17
    Traeger AC, Hübscher M, Henschke N, et al.: Effect of primary care-based education on reassurance in patients with acute low back pain: systematic review and meta-analysis. JAMA inter med 2015;175:733–43.
    Die Autorin merkt dazu noch an, dass eine möglicherweise nur fünf Minuten dauernde Beratung das Potential hat, Patient*innen bis zu zwölf Monate lang Vorteile zu bringen. Dabei ist die Fähigkeit, zuzuhören und eine vertrauensvolle Beziehung zum*zur Patient*in aufzubauen, von großer Bedeutung. Eine Evidenzbasis darüber, wie diese Informationen vermittelt werden sollten (Format, Zeitpunkt, Inhalt, PatientInneneinbeziehung…), liegt bislang allerdings nicht vor.

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