Überlegungen zur Funktionärstätigkeit zwischen Transparenz und Verschwiegenheit

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Transparenz ist ein wichtiges Element demokratischer Strukturen und ein Unterscheidungskriterium demokratischer von autokratischen1Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Autokratie. Zugriff: 10.6.2019. Systemen. Wikipedia (zugegeben ohne wissenschaftlichen Anspruch) sagt dazu Folgendes2Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Transparenz_(Politik). Zugriff 10.6.2019.: „Transparenz ist in der Politik und im politischen Diskurs eine Forderung bzw. ein für erstrebenswert gehaltener Zustand frei zugänglicher Informationen und stetiger Rechenschaft über Abläufe, Sachverhalte, Vorhaben und Entscheidungsprozesse. Damit verbunden die Vorstellung einer offenen Kommunikation zwischen den Akteuren des politischen Systems (bzw. von Verwaltung) und den Bürgern und einer vermehrten Partizipation. In eine ähnliche Richtung zielen die Begriffe Verwaltungstransparenz und Öffentlichkeitsprinzip“. Ohne Transparenz haben Bürger kaum Kontroll- und Einflussmöglichkeiten auf Entscheidungen, die sie betreffen.

Demgegenüber steht eine gleichwohl nötige Verschwiegenheit, um beispielsweise Entscheidungsprozesse nicht zu gefährden. So unterliegen auch Funktionär*innen der Wirtschaftskammer einer Verschwiegenheitspflicht (§ 69 WKG): „Alle Funktionäre und Mitarbeiter der nach diesem Gesetz gebildeten Organisationen sind, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse der nach diesem Bundesgesetz gebildeten Organisationen der gewerblichen Wirtschaft, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist. Von dieser Verpflichtung hat auf Verlangen eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde bei Funktionären und Mitarbeitern der zuständige Präsident zu entbinden, wenn dies im Interesse der Rechtspflege oder im sonstigen überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen ist.

Funktionär*innen stehen damit in einem Spannungsfeld zwischen (demokratischer) Transparenz gegenüber ihren Mitgliedern, die durch Information (so mein Verständnis) in die Lage gebracht werden sollen, Entscheidungen über ihren Beruf zumindest mitzuentscheiden, und gleichzeitig Verschwiegenheit ihnen gegenüber, um Ruhe, Ordnung und Sicherheit, aber auch wirtschaftliche Interessen der WK oder Entscheidungsvorbereitungen (siehe obige Aufzählung) nicht zu gefährden.

Wo ist hier die Grenze zu ziehen? Eine klare Grenze scheint es nicht wirklich zu geben. Wo aber beginnt die Überschreitung der notwendigen Verschwiegenheit, um sensible Prozesse nicht zu gefährden, und (wo auf der anderen Seite) beginnt demokratiegefährdende Message control, die auf „interne Zensur“ hinausläuft und ein „Meinungsmonopol“ bildet.

Die Struktur selbst scheint hier den natürlichen Nährboden für ein solches Spannungsfeld zu bilden: „Verwerfungen“ im sozial-politischen Gefüge der Wirtschaftskammer, die dadurch entstehen, dass Funktionär*innen im Einflussfeld unterschiedlicher, mitunter sogar gegenläufiger „Kräfte“ und Bestrebungen stehen:

  • Kandidat*innen werben für Ihren Einzug in den Landes-Ausschuss auf etablierten politischen Listen (wie z.B. der Wirtschaftsbund3„Der Österreichische Wirtschaftsbund ist eine der sechs Teilorganisationen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und österreichweit die größte und schlagkräftigste politische Interessenvertretung für Unternehmerinnen, Unternehmer und selbstständig denkende Menschen“ (Quelle: https://www.wirtschaftsbund.at/genticscms/bundesleitung/ueber-uns/Was_wir_tun.html). Zugriff: 10.6.2019., der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband Österreichs4„Wir verstehen uns als die Stimme der Klein- und Mittelbetriebe (KMU) und der Ein-Personen-Unternehmen (EPU)“ (https://www.wirtschaftsverband.at/ueber-den-swv.html). Zugriff: 10.6.2019. oder auch die Grüne Wirtschaft5„Wir sind deine starke Stimme in der Wirtschaftskammer: die Organisation der grünen Unternehmer*innen und Selbstständigen in Österreich. Willkommen in der wunderbaren Welt des ethischen und ökologischen Wirtschaftens“ (https://www.gruenewirtschaft.at). Zugriff: 10.6.2019.
    An dieser Stelle möchten wir, die Grünen Masseur*innen, nochmals betonen, dass wir kein politischer Zusammenschluss oder eine Untergruppierung der Grünen Wirtschaft sind. Mit Grünen Wirtschaft verbindet uns eine freie Zusammenarbeit.
    oder aber auf eigenständigen Listen („Wählergruppen“).
  • So wie auch bei Nationalratswahlen treten die Kandidat*innen mit einem Programm an, mit dem sie sich empfehlen, für ihre Wahl werben. Das kann ein (ausschließlich) eigenständiges Programm sein oder aber „Teil eines größeren Gesamtbildes“ (im Fall von etablierten politischen Listen).
  • Hier zeigt sich ein ernstes Feld für mögliche „Verwerfungen“ und immanente Widersprüche: Vertritt der*die Funktionär*n (mittlerweile „erfolgreich gewählt“) die Gesamtheit der Innungsmitglieder oder „ihre“ Wähler*innen (die den*die Funktionär*in für ein bestimmtes Wahlprogramm gewählt haben) oder sogar übergeordnete politische Ziele (die ihren Ursprung in der Zugehörigkeit zu einer politischen Gruppierung und deren Zielsetzungen und Werthaltungen haben)?6Von ausschließlich oder vorrangig persönlichen Zielen und Interessen sehe ich hier ab und gehe davon aus, dass die Tätigkeit in der Innung nicht von solchen beeinflusst oder beherrscht wird.
  • Und weiters stellt sich die Frage, welche Informationen darf der*die Funktionär*in kommunizieren und soll sie kommunizieren? Sollte nur der offizielle Standpunkt kommuniziert werden (dürfen)? Oder besteht mitunter nicht sogar die Verpflichtung von Information und Transparenz über (für die Wähler*innen / Mitglieder) wichtige Themen?
  • Verantwortlich den Wähler*innen, den Mitgliedern, der Institution und selbstverständlich allen diese Fragestellung betreffenden Rechten und Pflichten muss der*die Funktionär*in letztlich individuell „innerhalb der Transparenz- und Verschwiegenheitsparameter“ abwägen, welche Informationen sie nach außen gibt, schließlich ist sie persönlich (und auch rechtlich) verantwortlich für ihre Äußerungen. 
  • Doch nicht jeder scheinbare Verschwiegenheitsbruch, so unser Verständnis, bedeutet in diesem Spannungsfeld zwangsläufig eine Verletzung von essentiellen Rechten und gesetzlichen Verpflichtungen, wie sie in der Verschwiegenheitsverpflichtung angeführt werden, sondern eventuell einen notwendigen, wenngleich mühsamen Demokratieprozess. Und auch: Nicht jedes Schweigen ist rechtfertigbar, wenn damit die Gefahr aufkommt, dass wesentliche Anliegen der vertretenen / zu vertretenen Wähler*innen / Mitglieder gefährdet werden.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Autokratie. Zugriff: 10.6.2019.
  • 2
  • 3
    „Der Österreichische Wirtschaftsbund ist eine der sechs Teilorganisationen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und österreichweit die größte und schlagkräftigste politische Interessenvertretung für Unternehmerinnen, Unternehmer und selbstständig denkende Menschen“ (Quelle: https://www.wirtschaftsbund.at/genticscms/bundesleitung/ueber-uns/Was_wir_tun.html). Zugriff: 10.6.2019.
  • 4
    „Wir verstehen uns als die Stimme der Klein- und Mittelbetriebe (KMU) und der Ein-Personen-Unternehmen (EPU)“ (https://www.wirtschaftsverband.at/ueber-den-swv.html). Zugriff: 10.6.2019.
  • 5
    „Wir sind deine starke Stimme in der Wirtschaftskammer: die Organisation der grünen Unternehmer*innen und Selbstständigen in Österreich. Willkommen in der wunderbaren Welt des ethischen und ökologischen Wirtschaftens“ (https://www.gruenewirtschaft.at). Zugriff: 10.6.2019.
    An dieser Stelle möchten wir, die Grünen Masseur*innen, nochmals betonen, dass wir kein politischer Zusammenschluss oder eine Untergruppierung der Grünen Wirtschaft sind. Mit Grünen Wirtschaft verbindet uns eine freie Zusammenarbeit.
  • 6
    Von ausschließlich oder vorrangig persönlichen Zielen und Interessen sehe ich hier ab und gehe davon aus, dass die Tätigkeit in der Innung nicht von solchen beeinflusst oder beherrscht wird.