Was bewertet der NQR?

Die acht Qualifikationsstufen des EQR

Der EQF (European Qualifications Framework, Europäischer Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, EQR) ist eine 2008 beschlossene Initiative der Europäischen Union1Empfehlung des Europäischen Parlaments und der Rates vom 23. April 2008 zur Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32008H0506(01))., die – als eine Art „Übersetzungshilfe“ – berufliche Qualifikationen und Kompetenzen in Europa vergleichbar machen soll. Ursprünglich auf dem Hintergrund von schulisch/universitäter Ausbildung (Bildungsniveaus) entwickelt, soll die EQR-Klassifikation alle Berufe (Bildungsergebnisse) abdecken.

  • Aktuell2Stand 2018. werden Qualifikationsrahmen (NQR) weltweit in mehr als 120 Staaten umgesetzt. 32 Staaten haben den EQR formal umgesetzt, 28 Staaten referenzieren zum EQR.

In manchen Länder, wie z.B. Österreich, Deutschland oder auch Italien, stimmen die nationalen NQR-Niveaus mit den entsprechenden EQF-Niveaus überein, in anderen, wie z.B. Irland nicht, referenzieren aber zum EQR.3Vergleiche zwischen den Qualifikationsniveaus verschiedener Länder unter https://ec.europa.eu/ploteus/de/compare.

Die acht Stufen des EQR reichen von grundlegenden allgemeinen Kenntnissen und Fertigkeiten (Stufe 1) bis zur Beherrschung eines hoch spezialisierten Wissensgebiets (Stufe 8). Während Stufe 5 den Abschluss an einer Berufsbildenden Höhere Schulen (BHS) bedeutet4Beispielsweise Handelsakademie oder Bildungsanstalt für Elementarpädagogik (vgl. https://www.bildungssystem.at/schule-oberstufe/berufsbildende-hoehere-schule). Das deutsche Abitur beispielsweise erreicht im NQR nur Stufe 4., entsprechen die drei höchsten Niveaus den im Rahmen des Europäischen Hochschulraums im Zuge des Bologna-Prozesses definierten Hochschulabschlüssen, wie Bachelor, Master und Promotion. Sie können jedoch auch für besonders anspruchsvolle berufliche Qualifikationen stehen.

Was bewertet der EQR?

Der EQR ist lernergebnisorientiert.

Als Lernergebnis bezeichnet man jene Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen, die ein/e Lerndende/r am Ende seiner/ihrer Ausbildung erworben hat: „Lernergebnisse sind Aussagen darüber, was ein Lernender weiß, versteht und in der Lage ist zu tun, nachdem er einen Lernprozess abgeschlossen hat.“5Quelle: EQR Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates, 2008, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32008H0506(01).

  • Unter Kenntnissen wird dabei Theorie- und/oder Faktenwissen verstanden, z.B. das Wissen um Yin und Yang, die fünf Wandlungsphasen. Meridiane, Tsubos etc..
  • Fertigkeiten können kognitiver Natur (Problemlösefähigkeit, kreatives Denken etc.) oder praktisch sein (z. B. Umgang mit Instrumenten und Materialien). Sie bedeuten die Fähigkeit Kenntnisse in der Praxis anzuwenden, um Aufgaben/Zielsetzungen zu erfüllen und Probleme zu lösen, z.B. Anwendung von Techniken zur Behandlung des Lungen-Meridians, zur Stärkung „der Milz“ etc.
  • Kompetenzen bedeuten im EQR-Kontext die beiden Aspekte „Verantwortung“ und „Selbständigkeit“. Sie sind überfachlich zu verstehen und erfassen hier ausschließlich jene Kompetenzen, die auf den Grad der Verantwortung und der eigenständigen Ausübung verweisen, die für die Ausübung in der Praxis erforderlich sind.

Auf Basis der Lernergebnisse definiert der EQR acht unterschiedliche Bildungsniveaus, die durch sogenannte Deskriptoren beschrieben werden und sich auf die durch die Ausbildung erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen beziehen.6Quelle: https://ec.europa.eu/ploteus/content/descriptors-page

An die Schul-/akademische Ausbildung angelehnt, werden im EQR acht Stufen definiert, die (lernergebnisorientiert beschrieben) von der Erfüllung einfacher Anforderungen in einem überschaubar und stabil strukturierten Lern- oder Arbeitsbereich (Stufe 1) bis hin zu hochkomplexen Anforderungen mit neuartigen bzw. unklaren Problemlagen und hoher Verantwortung reichen (Stufe 8), wie sie beispielsweise den Arztberuf kennzeichnen.

Die Beschreibung der geforderten Deskriptoren wird mit jedem Niveau anspruchsvoller und grundsätzlich bedeutet die Höhe der Stufen den Umgang mit mehr oder weniger komplexen und unvorhersehbaren Aufgaben (und damit mehr Verantwortung).

  • Die Basis der Bewertung ist die Kompetenz, also die Fähigkeit zur Anwendung, nicht Wissen per se. Reines Wissen z.B. der Fünf Elemente oder von Yin und Yang entspricht nur einer niedrigen Stufe im EQR, wohingegen die Anwendung dieser Prinzipien im Sinne einer Diagnostik und Erstellung einer Behandlungsstrategie einer höheren Stufe entspricht.

Bewertet wird nicht die Ausbildung (also Stundenanzahl, Inhalte), sondern die erworbene Kompetenz in der Abschlussprüfung. Stundenzahlen fließen in den Antrag zwar ein, aber nachrangig. Das Kernstück des Antrags ist der Nachweis von (in unserem Fall von vor allem praktischer) Kompetenz, die durch eine Prüfung (und begleitende Aufgaben wie z.B. Facharbeit und Fallberichte) nachgewiesen werden.

  • Beim EQR geht es um die Gleichwertigkeit und nicht um die Gleichartigkeit von Abschlüssen/Ausbildungen. Ein Abschluss auf Niveau 6 als MasseurIn bedeutet deshalb kein Recht auf eine Aufnahme zum Masterstudium an einer Universität.

Unterschiede zwischen Niveau 5 und Niveau 6

Die Unterschiede zwischen Stufe 5 und Stufe 6 beruhen primär auf der Komplexität der Tätigkeit und sich häufig ändernder Anforderungen.7Vgl. https://www.qualifikationsregister.at/wp-content/uploads/2018/11/NQR_Infoblaetter_Deskriptoren5.pdfhttps://www.qualifikationsregister.at/wp-content/uploads/2018/11/NQR_Infoblaetter_Deskriptoren6.pdf

EQR-Niveau 5

… beschreibt Kompetenzen, die zur selbständigen Planung und Bearbeitung umfassender fachlicher Aufgabenstellungen in einem komplexen, spezialisierten, sich verändernden Lernbereich oder beruflichen Tätigkeitsfeld benötigt werden.

Fachkompetenz

Wissen

  • Über integriertes Fachwissen in einem Lernbereich oder über integriertes berufliches Wissen in einem Tätigkeitsfeld verfügen. Das schließt auch vertieftes fachtheoretisches Wissen ein.
  • Umfang und Grenzen des Lernbereichs oder beruflichen Tätigkeitsfelds kennen.

Fertigkeiten

  • Über ein sehr breites Spektrum spezialisierter kognitiver und praktischer Fertigkeiten verfügen.
  • Arbeitsprozesse übergreifend planen und sie unter umfassender Einbeziehung von Handlungsalternativen und Wechselwirkungen mit benachbarten Bereichen beurteilen.
  • Umfassende Transferleistungen erbringen.

 Personale Kompetenz

Sozialkompetenz

  • Arbeitsprozesse kooperativ, auch in heterogenen Gruppen, planen und gestalten, andere anleiten und mit fundierter Lernberatung unterstützen.
  • Auch fachübergreifend komplexe Sachverhalte strukturiert, zielgerichtet und adressatenbezogen darstellen.
  • Interessen und Bedarf von Adressaten vorausschauend berücksichtigen.

Selbständigkeit

  • Eigene und fremd gesetzte Lern- und Arbeitsziele reflektieren, bewerten, selbstgesteuert verfolgen und verantworten sowie Konsequenzen
  • für die Arbeitsprozesse im Team ziehen.
EQR-Niveau 6  

… beschreibt Kompetenzen die zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder in einem beruflichen Tätigkeitsfeld benötigt werden. Die Anforderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet.

Fachkompetenz

Wissen

  • Über breites und integriertes Wissen einschließlich der wissenschaftlichen Grundlagen, der praktischen Anwendung eines wissenschaftlichen Faches sowie eines kritischen Verständnisses der wichtigsten Theorien und Methoden (entsprechend der Stufe 1 [Bachelor-Ebene] des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse) oder über breites und integriertes berufliches Wissen einschließlich der aktuellen fachlichen Entwicklungen verfügen.
  • Kenntnisse zur Weiterentwicklung eines wissenschaftlichen Faches oder eines beruflichen Tätigkeitsfeldes besitzen.
  • Über einschlägiges Wissen an Schnittstellen zu anderen Bereichen verfügen.

Fertigkeiten

  • Über ein sehr breites Spektrum an Methoden zur Bearbeitung komplexer Probleme in einem wissenschaftlichen Fach, (entsprechend der Stufe 1 [Bachelor-Ebene] des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse), weiteren Lernbereichen oder einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen.
  • Neue Lösungen erarbeiten und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Maßstäbe beurteilen, auch bei sich häufig ändernden Anforderungen.

Personale Kompetenz

Sozialkompetenz

  • In Expertenteams verantwortlich arbeiten oder Gruppen oder Organisationen verantwortlich leiten.
  • Die fachliche Entwicklung anderer anleiten und vorausschauend mit Problemen im Team umgehen.
  • Komplexe fachbezogene Probleme und Lösungen gegenüber Fachleuten argumentativ vertreten und mit ihnen weiterentwickeln.

Selbständigkeit

  • Ziele für Lern- und Arbeitsprozesse definieren, reflektieren und bewerten und Lern- und Arbeitsprozesse eigenständig und nachhaltig gestalten.
Vergleich zwischen Niveau 5 und Niveau 6 hinsichtlich relevanter Deskriptoren

Allgemeine Beschreibung

Der Unterschied von Niveau 6 zu Niveau 5 liegt vor allem in einer stärkeren Eigenverantwortlichkeit (inklusive Reflexion [Auswertung] der Aufgabenstellung) und in einer Anforderungsstruktur, die durch (mehr) Komplexität und häufigere Veränderungen gekennzeichnet ist – das bedeutet, dass die Deskriptoren hier besonders deutlich formuliert werden müssen.

Fachkompetenz

Das Wissen auf Stufe 6 ist breiter (einschließlich der aktuellen fachlichen Entwicklungen, es gibt Kenntnisse zur Weiterentwicklung des beruflichen Tätigkeitsfeldes und einschlägiges Wissen an Schnittstellen zu anderen Bereichen.

Die Fertigkeiten auf Stufe 6 sind breiter und betonen die Bearbeitung komplexer Probleme und die Erarbeitung und Beurteilung neuer Lösungen (unter Berücksichtigung unterschiedlicher Maßstäbe), auch bei sich häufig ändernden Anforderung.

Personale Kompetenz

Die Sozialkompetenz auf Stufe 6 beinhaltet komplexe fachbezogene Probleme und Lösungen gegenüber Fachleuten argumentativ zu vertreten und mit ihnen weiterzuentwickeln.

In Hinblick auf Selbständigkeit beinhaltet Stufe 6 – über die Reflexion, Bewertung und Steuerung hinaus – auch die Planung von Arbeitszielen.

Formales und nicht-formales Lernen

Formales Lernen bedeutet jenen Lernprozess, der üblicherweise im Rahmen einer Einrichtung des formalen Bildungs- und Ausbildungssystems (z.B. Schule, Lehrbetrieb, Hochschule) stattfindet.

Eine formale Qualifikation ist eine Qualifikation, die durch Gesetz oder Verordnung geregelt ist, oder das Ergebnis einer Aus-, Fort- oder Weiterbildung, die durch Gesetz oder Verordnung geregelt ist.

Informelles (nicht-formales) Lernen bedeutet einen nicht geregelten Lernprozess, der üblicherweise im Rahmen von Bildungs- oder Ausbildungsprogrammen des nicht-formalen Qualifikationssystems stattfindet (z.B. Angebote der Erwachsenenbildung, betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen).

Eine nicht-formale Qualifikation ist eine Qualifikation, die das Ergebnis einer Aus-, Fort- oder Weiterbildung ist, die nicht durch Gesetz oder Verordnung geregelt ist.

Zuordnungsverfahren

Die Zuordnung einer Qualifikation zum NQR erfolgt freiwillig auf Basis eines Zuordnungsersuchens. Dieses ist an die NQR-Koordinierungsstelle zu schicken und wird von den im NQR-Gesetz definierten NQR-Gremien geprüft. Es werden sowohl gesetzlich geregelte Qualifikationen (d.h. formale Qualifikationen) als auch nicht-formale Qualifikationen, die keine gesetzliche Verankerung haben, zugeordnet.

Das Zuordnungsverfahren ist für alle Qualifikationen gleich. Nur die antragstellende Einrichtung unterscheidet sich: Bei formalen Qualifikationen reicht das zuständige Ministerium das Zuordnungsersuchen ein, bei nicht-formalen Qualifikationen übernimmt diese Aufgabe die NQR-Servicestelle, die auf Initiative des Qualifikationsanbieters handelt.

Servicestellen

Servicestellen (für nicht-formale Qualifikationen) werden auf Initiative von Qualifikationsanbietern tätig und haben eine doppelte Aufgabe:

  • zum einen haben sie eine Bewertungsfunktion hinsichtlich der NQR-Kompatibilität der jeweiligen Qualifikation und der Angemessenheit des Zuordnungsvorschlags (sie können ein Zuordnungsersuchen nur dann einbringen, wenn die Lernergebnisse und deren Nachweis solide sind);
  • zum anderen sollen sie den Qualifikationsanbieter bei der Ausarbeitung eines Zuordnungsersuchens unterstützen und die Nachvollziehbarkeit des angesuchten NQR-Niveaus sicherstellen.

Das heißt: Die Service-Stelle prüft den Antrag vorab und leitet ihn dann an eine eigens dafür etablierte Kommission weiter, in die (zumindest hier in Österreich) auch Personen aus dem Ausland integriert sind, um größtmögliche Objektivität zu gewährleisten.

Anmerkungen/Fußnoten